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16.11.2021 – PRESSEMITTEILUNG

Ökologische Waldwende Jetzt!

Keine naturwidrigen Aufräum- und Aufforstungsprogramme!

Keine neuen Monokulturen im Wald!

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Der Umweltverband „Naturschutzinitiative e.V. (NI)“ und zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern eine ökologische Waldwende, ein Ende der naturwidrigen Aufräum- und Aufforstungsprogramme sowie die Durchführung von FFH-Verträglichkeitsprüfungen in europäischen Schutzgebieten.

 

Autoren dieser Forderungen und Handlungsempfehlungen

Prof. Dr. Eberhard Fischer, AG Botanik und Biodiversitätsforschung, Universität Koblenz-Landau

Dr. Martin Flade, Buchenwaldexperte und Wissenschaftlicher Beirat der Naturschutzinitiative e.V. (NI)

Dr. Dorothee Killmann, AG Botanik und Biodiversitätsforschung, Universität Koblenz-Landau

Harry Neumann, Bundesvorsitzender der NI

Norbert Panek, Buchenwaldexperte und Wissenschaftlicher Beirat der NI

Dr. habil. Susanne Winter, Buchenwaldexpertin, Programmleiterin Wald WWF

 

Mitzeichner dieser Forderungen und Handlungsempfehlungen

Wilhelm Bode, Jurist und Forstwissenschaftler

Dr. rer. nat. Wolfgang Epple, Biologe, Wissenschaftlicher Beirat der NI

Prof. Dr. Bernd Gerken, Wissenschaftlicher Beirat der NI, Leipzig

Prof. Dr. Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität der Tiere, Universität Hamburg

Günter Hahn, Biologe, Wissenschaftlicher Beirat der NI

Prof. Dr. Pierre Ibisch, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde

Prof. Dr. Hans D. Knapp, Dir. u. Prof. a.D., Succow Stiftung

Gabriele Neumann, Wildkatzenexpertin, Bygul Akademie für Wildtiere und Naturbildung

Prof. Dr. Josef H. Reichholf, Zoologe, Evolutionsbiologe, Ökologe, lehrte an beiden Münchner Universitäten, Wissenschaftlicher Beirat der NI

Dr. Klaus Richarz, ehem. Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Wissenschaftlicher Beirat der NI

Dr. Andreas H. Segerer, Vizedirektor der Zoologischen Staatssammlung München, Wissenschaftlicher Beirat der NI

Wolfgang Stoiber, Vorsitzender Naturschutz und Kunst Lebendige Auen e.V. (NuKLA), Vorstandsmitglied der GRÜNEN LIGA Sachsen

Peter Wohlleben, Förster und Autor, Wohllebens Waldakademie

 

Die großflächigen Schäden in den deutschen Fichtenforsten ergeben eine dramatische Situation, bieten aber gleichzeitig auch Chancen für zukünftige Nachhaltigkeit. Es handelt sich überwiegend nicht um ein Waldproblem, sondern um ein Forstwirtschaftsproblem, da zumeist naturferne Wirtschaftsforste von der Trockenheit der letzten beiden Sommer und von dem Befall durch Borkenkäfer betroffen sind. Deswegen sollten jetzt richtige und zukunftsweisende Schlüsse beim Waldumbau gezogen werden.

1. Welche negativen Auswirkungen haben Monokulturen auf die biologische Vielfalt, auf Waldböden, den Wasserhaushalt und das Waldökosystem? Welche Funktionen hat ein intakter Wald?

Intakte Waldökosysteme bestehen unter natürlichen Bedingungen aus Baumarten, die optimal an den jeweiligen Standort angepasst sind. Die Bäume sind demzufolge auch robuster. Vor allem Nadelhölzer wie die Fichte, die eigentlich im Norden Europas und im Hochgebirge zuhause ist, sind auf potenziellen Laubwald-Standorten oft im Reinbestand gepflanzt worden. Dadurch wurden die angestammten Laubwald-Arten verdrängt. Die Nadelstreu bildet eine Rohhumusauflage, in der das Bodenleben verarmt und die die Böden selbst extrem versauert. Zudem wird die Wasserspeicherkapazität der Böden herabgesetzt. Derartige Plantagen sind hoch anfällig gegenüber äußeren Einflüssen wie Windwurf und Insektenkalamitäten. Die Grundwasserneubildung ist unter Kiefern- und Fichtenforsten wesentlich geringer als unter Laubbäumen, z.B. Buchen. Das Ergebnis dieser hoch risikoreichen Plantagenwirtschaft erleben wir gerade jetzt in den Dürrezeiten.

2. Warum wurden zu bestimmten Zeiten so große Flächen mit Nadelbäumen bepflanzt? Wo kommen sie noch vor, und zu welchen Problemen führt das?

Nadelhölzer, vor allem die Fichte, und in Nord- und Ostdeutschland die Kiefer, galten im 19. Jahrhundert bis weit in die Gegenwart hinein als wirtschaftlich lukrative „Brotbäume“ der deutschen Forstwirtschaft. Zunächst waren diese Nadelbaumflächen nur als eine kurze Übergangsphase gedacht, um den Waldanteil in den großflächig übernutzten und entwaldeten Landschaften zu erhöhen; später sollten langsamer wachsende Laubmischwälder folgen. Durch die schnellen wirtschaftlichen Erträge, die diese Bäume brachten, trat diese ursprüngliche Intention aber zunehmend in den Hintergrund. Das hat dazu geführt, dass heute weit über die Hälfte der deutschen Waldfläche mit nicht standortheimischen Nadelhölzern bestockt ist. Obwohl es viele warnende Stimmen schon vor mehr als 100 Jahren gab, und auch, als sich bereits der Klimawandel ankündigte, hat man weiter auf diese Baumarten gesetzt. Noch heute werden vielfach Nadelbaum-Plantagen angelegt. Die Katastrophe, die wir jetzt erleben, wurde zwar durch die gegenwärtigen Dürreperioden verschärft, ist aber im Wesentlichen von einer naturfernen, auf Nadelbaum fixierten Forstwirtschaft zu verantworten. Gebiete mit vor allem hohen Fichtenanteilen befinden sich im Hochsauerland und im Harz, aber auch im Thüringer Wald und im Schwarzwald. In diesen Regionen liegen auch die größten Kalamitätsflächen, die jetzt in den letzten Jahren durch Dürre und Borkenkäferbefall entstanden sind.

3. Warum ist es besser, Kalamitätsflächen nicht zu räumen, sondern sich selbst zu überlassen?

Es sollten möglichst viele Schadflächen nicht mehr geräumt werden und für die nächsten 20 Jahre der Natur überlassen bleiben. Man kann auch differenzierter vorgehen und nur Teile der Flächen räumen bzw. nur das noch verwertbare Holz bergen, ohne zu stark in die evtl. vorhandene Verjüngung und in die Bodenstrukturen einzugreifen. Dabei muss aber bedacht werden: Je mehr Holz, also je mehr Biomasse, aus der Fläche entnommen wird, je stärker die Flächen auch außerhalb von bestehenden Rückegassen mit schwerem Gerät befahren werden, desto ungünstiger wirkt sich dies auf die Regenerationsfähigkeit des Bodens, insbesondere auf die Humusneubildung, die Wasserspeicherfähigkeit und die nachfolgende Waldentwicklung aus. Durch die Freilegung der Böden werden enorme Menge an CO2 freigesetzt, nach Studien der TU Dresden bis zu 140 Tonnen pro Hektar in 10 Jahren.

Anstatt die Fichten großflächig zu fällen und aus dem Gebiet zu entfernen, wäre es sinnvoll gewesen, auf diesen Flächen eine natürliche Entwicklung und Wiederbewaldung einzuleiten. Gegebenenfalls könnte man Saatgut heimischer Laubbaumarten einbringen, anstatt der vielfach praktizierten, risikoreichen Neupflanzung von „exotischen“ Baumarten aus dem Baumschulkatalog. Wichtig wäre auch, gerade jetzt alle älteren Laubwälder mit geschlossenem Kronendach zu erhalten, was eine Reduzierung des dortigen Holzeinschlags bedeutet. Geschlossene Laubwälder übernehmen aus landschaftsklimatischen Gründen eine wichtige Kühlfunktion, die für den weiteren Fortgang der Klimaerwärmung bedeutend sein kann. Außerdem bieten sie Sonneneinstrahlung und Hitze weniger Angriffsfläche.   

Die Unterzeichner fordern eine grundlegende Neuausrichtung der Forstwirtschaft. Angesichts der Schäden, die durch die jahrzehntelange, einseitig auf Nadelhölzer fixierte Plantagenwirtschaft entstanden sind, wäre ein konsequent ökologisch orientiertes Forstmanagement dringend geboten. Aktuell muss es vorrangig um den substanziellen Erhalt unserer Waldökosysteme, also um eine gezielte Aktivierung der natürlichen Regenerationskräfte gehen.

4. Was bedeutet natürliche Wiederbewaldung? Wie funktioniert das?

Diese Vorgehensweise ist die risikoärmste und noch dazu kostengünstigste Möglichkeit, eine standortangepasste Wiederbewaldung in Gang zu setzen. Auf solchen Flächen entsteht in relativ kurzer Zeit ein sogenannter Pionier- oder Vorwald aus kurzlebigeren Gehölzarten wie z. B. Birken, Weiden, Aspen, Ebereschen etc. Diese Arten schützen schnell den Boden und sorgen für Humusbildung. Unter ihrem Schirm wächst im Lauf der Zeit wieder ein naturnaher, gemischter Wald heran.

5. Was geschieht bei der Räumung der Nadelbaumforsten?

Es wird auf einem Schlag nahezu die gesamte Stamm-Biomasse durch den Einsatz schwerer Forstmaschinen abgeräumt. Dabei werden die Böden, wenn diese außerhalb der Rückegassen befahren werden, übermäßig verdichtet. Durch die stärkere Sonneneinstrahlung wird der Humusabbau angeregt, und Nährstoffe können verstärkt freigesetzt werden. Durch den enormen Biomasse-Entzug werden Humusanreicherung, die Speicherung von Feuchtigkeit und damit auch die Kühlung stark eingeschränkt. Die Böden erhitzen sich im Sommer stärker und trocknen schneller aus. Das sind alles Faktoren, die die Startbedingungen für eine Wiederbewaldung aus ökologischer Sicht stark einschränken. Zudem geht Lebensraum der Tier- und Pflanzenarten verloren, die am Prozess der Selbsterneuerung des Ökosystems maßgeblich beteiligt sind. Der praktizierte Ansatz dieser Räumung begünstigt aus ökologischer Sicht im Grunde die nächste Katastrophe.

6. Wie wirkt sich eine ökologische Waldwende aus? Welche Beispiele gibt es?

Eine Waldwende in dem Sinne, dass auf den betroffenen Flächen möglichst überhaupt nicht eingegriffen wird und die Wiederbewaldung auf diese Weise funktioniert, lässt sich sehr gut an Beispielen aus Nationalparks belegen, z.B. dem Bayerischen Wald und dem Böhmerwald. Im Nationalpark Bayerischer Wald wurden die vom Borkenkäfer befallenen Fichten in den Kammlagen stehengelassen. Der Borkenkäferbefall ist schon nach kurzer Zeit von selbst zum Erliegen gekommen. Hohe Anteile an sich zersetzendem Totholz hat die Böden mit Humus angereichert und die Wasserspeicherkapazität deutlich erhöht. Auf dem Gebirgskamm wächst heute nach 30 bzw. 40 Jahren Regenerationszeit ein naturnaher, artenreicher Bergwald heran. Auch in anderen Nationalparks, wie z.B. im hessischen Nationalpark Kellerwald-Edersee oder im Darßwald des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft an der Ostsee hat man ähnliche positive Erfahrungen mit nicht geräumten Windwurf- und Kalamitätsflächen gemacht. Untersuchungen der Universität Würzburg zeigen, dass beim Verbleib von 75 Prozent der Bäume nach Sturmereignissen oder Insektenkalamitäten im Wald 90 Prozent der vorkommenden Arten erhalten bleiben können. Wird jedoch die Hälfte des vorgeschädigten Waldes entnommen, verringert sich die Artenvielfalt um 25 Prozent.

7. Warum sind alte Bäume wichtig für ein stabiles Ökosystem?

Zunächst einmal sind alte Bäume ein wichtiger Lebensraum für eine Fülle von Organismen, die im gesamten Netzwerk des Waldökosystems eine herausragende Rolle spielen. Die Vielfalt an Arten erhöht sich mit dem Alter bzw. mit der Reife eines Waldes. Zudem speichert der Wald mehr Kohlenstoff. Wenn von der Bedeutung der biologischen Vielfalt gesprochen wird, dann ist die Existenz alter Bäume und alter Wälder eine wesentliche Voraussetzung und Grundlage, um diese Vielfalt zu erhalten. Alte, über 160-jährige Bäume machen gegenwärtig jedoch nur noch drei Prozent der deutschen Waldfläche aus.

8. Wie lassen sich Naturwald und Wirtschaft unter einen Hut bringen? Was wären gute forstwirtschaftliche Betriebsmodelle?

Schon vor 100 Jahren hat in Deutschland Alfred Möller mit seiner umfassenden, ganzheitlichen Dauerwaldidee den Grundstein für eine ökologisch nachhaltige Forstwirtschaft gelegt, die unsere heutigen Naturschutzansätze vom Boden- und Humusschutz über den Wasserhaushalt und das Bestandsklima bis hin zum Schutz der  biologischen Vielfalt von der Bodenfauna über die Pilzflora bis zur Vogelwelt mitdenkt. Inzwischen gibt es in Deutschland vor allem in kommunalen Wäldern Beispiele, bei denen seit Jahrzehnten konsequenter Naturschutz und Forstwirtschaft in Einklang gebracht wurde. Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel ist das „Lübecker Modell“. Dort wird schon seit Mitte der 1990er Jahre erfolgreich ein Bewirtschaftungskonzept umgesetzt, das, nach dem Prinzip des minimalen Eingriffs verfährt. Dies bedeutet, dass man auf größtmögliche Schonung der Waldböden achtet, Pflegemaßnahmen auf das Nötigste reduziert und Bäume einzeln erntet, wenn sie eine bestimmte „Reife“ erreicht haben. Grundsätzlich findet eine Verjüngung mit Baumarten statt, die auf dem jeweiligen Standort auch natürlich vorkommen würden. Die Holznutzung ist in die natürlichen Entwicklungsprozesse des Waldes integriert. Diese Grundsätze finden sich auch in modifizierter Form (dauerwaldartige Nutzung mit einem kleinteiligen Nebeneinander aller Waldentwicklungsphasen) in anderen Leuchtturm-Wäldern wie z.B. im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin in Brandenburg erfolgreich verwirklicht. Die konventionelle Forstwirtschaft lässt natürliche Prozesse hingegen nicht ausreichend zu. Die Sicherung von ökologischen Wohlfahrtsleistungen ist ein wesentlicher Bestandteil der Gemeinwohl-Aufgabe, die öffentliche Wälder vorrangig zu erfüllen haben. Aufgaben und Ziele im öffentlichen Wald sind vor diesem Hintergrund politisch neu zu definieren. Die Forstwirtschaft muss sich von unökologischen Betriebsmodellen verabschieden.

9. Welche Auswirkungen haben Waldverluste und Flächenräumungen auf Wildtiere?

Die massiven Eingriffe in den Lebensraum Wald, die aktuell aufgrund der Trockenschäden und des Borkenkäferbefalls stattfinden, verändern die Lebensstätten unserer heimischen Wildtiere. Die Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten, potenzielle Ruheplätze und Nahrungshabitate der Tiere werden unter dem Einsatz großer Maschinen zerstört.

Bei einer schonenden Behandlung und/oder dem Belassen des der abgestorbenen Bäume zeigen die aktuellen Kalamitätsflächen ähnlich wie die Windwurfflächen der letzten drei Jahrzehnte einen hohen tierökologischen Wert, da sie insbesondere in strukturarmen Fichtenforsten Vorzugsräume für u.a. streng geschützte Tierarten schaffen. Neben der Wildkatze gilt das auch für den Luchs und die Haselmaus, die jüngere Sukzessionsstadien in Wäldern bevorzugen. Rechtlich betrachtet weisen Windwurfflächen somit ein hohes Potenzial als Fortpflanzungs- und Ruhestätten im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) und gegebenenfalls sogar als essentielles Nahrungshabitat auf.

Gerade die in den letzten Jahren zu beobachtende Ausbreitung der Wildkatze wird durch die zunehmende Dynamik sich ausweitender Sturmwurfflächen seit Vivian und Wiebke (1990) begünstigt. Gleichzeitig sind zunehmend ganzjährige Eingriffe in den Waldlebensraum zu beobachten. Die Forstwirtschaft bearbeitet infolge der Sommerdürren und Käferkalamitäten, aber auch im Zuge der Jungbestandspflege und der Holzernte die Flächen. Dies birgt auch eine Gefährdung der Jungkatzen. Ein hohes Tötungsrisiko für noch nicht selbständige Jungkatzen bedeutet im Frühjahr das Räumen von Sturmwurfflächen, der Abtrieb von mit Käfer befallenen Fichtenbeständen, das Mulchen/Häckseln von Fahrgassen/Rückeschneisen, die maschinelle Pflanzvorbereitung und die Abfuhr von Langholzstapeln.

10. FFH-Verträglichkeitsprüfung in europäischen Schutzgebieten

Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-Richtlinie

„(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.“

Da die durchgeführten Kahlschläge einen erheblichen Eingriff in den Erhaltungszustand der Lebensraumtypen darstellen, erachten wir die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung für zwingend erforderlich und die durchgeführten forstlichen Maßnahmen für rechtswidrig, da diese FFH-Verträglichkeitsprüfung unterblieben ist. Dies werden wir auch einer rechtlichen Prüfung zuführen, da der Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen vom 09.06.2020 diese Lesart unterstützt. In dem Beschluss wird „im Wege der einstweiligen Anordnung“ der weitere Vollzug des Forstwirtschaftsplans 2018 ausgesetzt, soweit er „Sanitärhiebe, Femelhiebe/Femelungen, Schirmhiebe und Altdurchforstungen innerhalb des FFH Gebiets“ betrifft. Des Weiteren wurde als Bedingung für jedwede derartige Eingriffe festgelegt, dass “… eine Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung unter Beteiligung des Antragstellers (GRÜNE LIGA Sachsen, Anm. Verf.) durchgeführt …”werden muss.“
Quelle: www.nukla.de/2020/06/gruene-liga-sachsen-und-nukla-stadt-leipzig-beschluss-des-ovg-bautzen-vom-9-6-2020/

 

Beispiele

Rheinland-Pfalz

Westerwald

Der Westerwald ist Teil des Rheinischen Schiefergebirges und durch sowohl nährstoffreiche als auch durch nährstoffärmere, saure Standorte geprägt. Die natürliche Waldvegetation wären Buchenwälder verschiedener Ausprägungen, insbesondere Hainsimsen- und Waldmeister-Buchenwälder. Die Auswahl forstwirtschaftlich nutzbarer Bäume sollte sich grundsätzlich an der Zusammensetzung der Arten orientieren, die natürlicherweise auf den jeweiligen Standorten vorkommen würden. Wir warnen aber vor pauschalen Empfehlungen. Zukünftige Wälder sollten dabei einen möglichst großen Spielraum haben, um sich selbst auf natürlichem Wege zu entwickeln und an veränderte Wuchsbedingungen anzupassen. Die Förderung der ökologischen Funktionstüchtigkeit unserer Wälder sollte im Vordergrund stehen, nicht der kurzfristig gedachte ökonomische Erfolg. Die Anpflanzung von standortfremden Douglasien, wie sie z. B. in den Gemeinden Helferskirchen und Ransbach-Baumbach oder auf der Montabaurer Höhe zu beobachten ist, halten wir für den falschen Weg. Denn gerade der flächige Anbau von Douglasien hat wegen der geringen bis sogar negativen Grundwasserneubildung unter diesen Beständen verheerende Auswirkungen auf den Landschaftswasserhaushalt. Große Bereiche des Gemeindewaldes von Hillscheid sind FFH-Gebiet. Der Umgang mit Kalamitätsflächen und mit dem Ergebnis großer Kahlflächen stellt für den Erhaltungszustand dieser Buchenwälder ein großes Risiko dar und ist nicht nachhaltig. Absolut kontraproduktiv wäre es, auf nicht einheimische Baumarten wie z. B. die Roteiche zu setzen, da diese keine geeigneten Nahrungssubstrate für die heimische Insektenfauna darstellen. Andere Forstreviere der Region, zum Beispiel die der Verbandsgemeinde Selters, setzen hingegen weitgehend auf Naturverjüngung ohne standortfremde Baumarten. Zu begrüßen sind auch die Empfehlungen des Forstamtes Hachenburg und des Forstlichen Bildungszentrums für eine stärker ökologische Bewirtschaftung der Wälder.

Vor allem im FFH-Gebiet „Montabaurer Höhe“ wurden großflächige Fällungen auf Fichtenkalamitätsflächen vorgenommen, aber auch auf der Fuchskaute, einem bedeutenden europäischen Vogelschutzgebiet, sind die Eingriffe gravierend. Das halten wir für unverantwortlich und nicht mit dem Bundesnaturschutzgesetz vereinbar. Die Fällungen der Fichten sollten umgehend beendet werden. Forstarbeiten, bei denen FFH-Schutzzwecke betroffen sind, erachten wir als rechtswidrig, da vor den forstlichen Maßnahmen keine FFH-Verträglichkeitsprüfungen stattgefunden haben.

Nordrhein-Westfalen

Sauerland, Hoher Knochen

Zu den ökologisch schädlichen Betriebsmodellen gehört auch die noch vielerorts übliche, kahlschlagähnliche Nutzung der Bäume. Nach dem in Deutschland gültigen Forstrecht sind Kahlschläge bis zu zwei Hektar immer noch zulässig; ein klar definiertes Kahlschlagverbot ist dringend zu fordern.

Dass hier eine Gesetzeslücke besteht, zeigt ein drastisches Beispiel im Hochsauerland auf der Bergkuppe des „Hoher Knochens“ bei Schmallenberg. Dort wurden innerhalb weniger Jahre über 40 Hektar eines rund 100-jährigen, intakten Buchenbestands in Etappen kahlgeschlagen und anschließend mit Fichten aufgeforstet. Ein ganzes Ökosystem wurde in kürzester Zeit ausradiert und ein natürlicher Kohlenstoffspeicher vernichtet. Die gepflanzten Fichten sind auf den steilen, sonnenexponierten Hängen größtenteils schon wieder vertrocknet.

Das zuständige Regionalforstamt in Schmallenberg erklärte (Zitat); „Die Kahlschläge erfolgten, wie eine Prüfung durch das Forstamt und die Naturschutzbehörde ergab, unter Beachtung der forstrechtlichen und naturschutzrechtlichen Vorgaben NRWs und sind damit nicht gesetzeswidrig.“ Das für Forsten zuständige Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz stellte bestätigend fest (Zitat): „In Bezug auf das Landesforstgesetz kann ein Verstoß gegen die Kahlhiebsregelung … nicht mit Sicherheit festgestellt werden.“ Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Waldbesitzer die Einschlagsmaßnahmen der letzten Jahre zeitlich und örtlich so geplant und durchgeführt hat, dass er die forstgesetzlichen Spielräume … noch gewahrt hat“ (!). Dass es sie gibt und dass man sie auch schamlos ausgenutzt kann, ist ein Skandal!

Hessen

Die Wälder in Nordhessen sind Teil des Nordwesthessischen Berg- und Senkenlandes und durch sowohl nährstoffreiche als auch durch nährstoffärmere, bodensaure Standorte geprägt. Die natürliche Waldvegetation wären Buchenwälder verschiedener Ausprägungen, insbesondere Hainsimsen- und Waldmeister-Buchenwälder. Die Auswahl forstwirtschaftlich nutzbarer Bäume sollte sich grundsätzlich an der Zusammensetzung der Arten orientieren, die natürlicherweise auf den jeweiligen Standorten vorkommen würden. Wir warnen aber vor pauschalen Empfehlungen. Zukünftige Wälder sollten einen möglichst großen Spielraum haben, um sich selbst auf natürlichem Wege zu entwickeln und an veränderte Wuchsbedingungen anzupassen. Die Förderung der ökologischen Funktionstüchtigkeit unserer Wälder sollte im Vordergrund stehen, nicht der kurzfristig gedachte ökonomische Erfolg. Die Anpflanzung von standortfremden Douglasien, die jetzt als „Alternative“ zur Fichte propagiert wird, halten wir für den falschen Weg. Denn gerade der flächige Anbau von Douglasien hat wegen der geringen bis sogar negativen Grundwasserneubildung unter diesen Beständen verheerende Auswirkungen auf den Landschaftswasserhaushalt. Der Umgang mit Kalamitätsflächen sowie die aktuell praktizierte Waldwirtschaft mit großen Schirmschlägen stellt auch für den Erhaltungszustand der Buchenwälder ein großes Risiko dar und ist nicht nachhaltig. Zu empfehlen wäre eine Vorgehensweise, die weitgehend auf Naturverjüngung ohne standortfremde Baumarten setzt und auf eine Bewirtschaftung, die größere Auflichtungen und nutzungsbedingte Baumbedeckungsverluste vermeidet.

Unnötige Entblößung und Entwaldung im Reinhardswald

Wenn man sich die für jedermann zugänglichen Daten des Internetdienstes „Global Forest Watch“ näher anschaut, wurden großflächige Komplett-Rodungen in befallenen Fichtenbeständen vor allem im Bereich Nordwaldeck, in Teilen des Reinhardswalds, im Kaufunger Wald sowie im Söhrewald südöstlich von Kassel vorgenommen. In ganz Nordhessen ist allein seit 2018 ein Verlust der Baumbedeckung von über 10.200 Hektar zu beklagen. Allein im Landkreis Kassel haben in den letzten Dürrejahren rund acht Prozent der dortigen Waldfläche ihre Baumbedeckung zum überwiegenden Teil räumungsbedingt verloren. Das halten wir für unverantwortlich und sollte umgehend beendet werden. Stattdessen wäre auf diesen Flächen eine natürliche Entwicklung einzuleiten. Gegebenenfalls könnte man dort auch Saatgut heimischer Laubbaumarten einbringen anstelle der vielfach praktizierten, risikoreichen Neupflanzung von „exotischen“ Baumarten aus dem Baumschulkatalog. Wichtig wäre auch, gerade jetzt alle noch vorhandenen, älteren Laubwälder mit geschlossenem Kronendach zu erhalten, was eine Reduzierung des dortigen Holzeinschlags bedeutet. Geschlossene Laubwälder übernehmen aus landschaftsklimatischen Gründen eine nicht unerhebliche Kühlfunktion, die für den weiteren Fortgang der Klimaerwärmung bedeutend sein kann. Außerdem bieten sie Sonneneinstrahlung und Hitze weniger Angriffsfläche.     

Sachsen

Stadtforsten Leipzig - Wie die Axt im Walde

Rabiate Forstmethoden im Vogelschutzgebiet während der Brutzeit

Es ist sicherlich vernünftig, an dem sehr stark frequentierten Waldweg der „Neuen Linie“ im Leipziger Auwald einzelne akut umsturzgefährdete Bäume mit der gebotenen Rücksichtnahme auf das Waldökosystem zu entfernen, damit Fußgänger, Jogger und Radfahrer nicht gefährdet werden.

Aber das Bild, was sich dem Naturschutzverein „Naturschutz und Kunst Lebendige Auen e.V.“ (NuKLA) im Juli 2021 darstellte, mutet eher an die stadtforstentypischen sogenannten Sanitärhiebe an, für die das Oberverwaltungsgericht Bautzen eine verpflichtende FFH-Verträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Grünen Liga Sachsen festgestellt hat.

So wurden auch zahlreiche Bäume gerodet, die ca. 20 m von der „Neuen Linie“ entfernt standen, also gar nicht in den Bereich des Weges hineinfallen können. Viele Bäume wurden direkt oberhalb der Wurzel abgesägt (ohne Belassen eines Hochstubbens), große Holzstapel wurden angelegt, auch mitten im Wald. Jüngere Bäume, die sicherlich keinerlei Gefährdung darstellten, wurden ebenfalls gefällt.

Und es zeigt sich deutlich, welche Gewichtung dem Schutz des empfindlichen Auwaldbodens zugemessen wurde. Die wohl von Traktoren verursachten Reifenspuren geben eine eindeutige Antwort: Keine.

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Rodungen in einem europäischen Vogelschutzgebiet innerhalb der Brutzeit erfolgten. Ob besetzte Nester zerstört wurden, ließe sich schwerlich beweisen. Innerhalb der großen Holzstapel würde man solche kaum finden können. Ähnliches gilt für eventuelle Mulmhöhlen mit Reproduktionsstadien geschützter Käferarten wie dem prioritär geschützten Eremiten.

Stadtforsten hat die Arbeiten wohl von einer Fremdfirma ausführen lassen. Aber auch das ändert nichts. Die Aufsichtspflichten liegen eindeutig bei Stadtforsten, die damit auch vollumfänglich verantwortlich sind für diese rabiate Maßnahme.


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