Landschaftsästhetik
Landschaft als (Er)Lebensgrundlage und Heimat
Menschen brauchen unverbaute Landschaften, die Weitsichten ermöglichen. Landschaft und Lebensräume als Teil der Natur haben einen Wert an sich. Landschaft ist Hort und die zentrale (Er)Lebensgrundlage des Menschen. Unverbaute Landschaften sind ein lebenswichtiger Rahmen und Indikator für vitale Lebensräume, natürliche Prozesse und Evolution. Landschaft ist eine wichtige Grundlage für Biodiversität. Malerische, erhabene, gewaltige oder idyllische Landschaften, aber auch nahezu unverbaute „Alltagslandschaften“, stellen ein Qualitätsmerkmal dar und prägen für viele Menschen ihre Heimat maßgeblich mit – auch zur Stärkung des Wohlbefindens und ihrer Gesundheit.
Natur- und Landschaftserfahrung kann als letztes Refugium und zentrales Gut für unsere Zivilisationsgesellschaft betrachtet werden. Sie bietet uns Räume für die Alltagsbewältigung, Erholung und gibt Raum für Spiritualität und Stille. Sie ist frei von visuellen und akustischen Störungen. Dieser „Er-Lebens-raum“ ermöglicht es, Gegenbilder zu technisch und industriell gekennzeichneten Ballungsräumen zu erzeugen.
Foto: Walter Stutterich
Landschaft verstehen
Landschaft ist eines der wichtigsten Schutzgüter für uns Menschen. Naturerfahrungen und Naturschutzbildung aller Art finden in Landschaftsräumen statt. Guter Naturschutz bedeutet, Veränderungen von Zerstörungen zu unterscheiden. Unumgängliche Eingriffe in Natur und Landschaft benötigen daher unsere Lenkung und Gestaltung. Der Mensch wird dabei nicht grundsätzlich als Störfaktor begriffen, sondern als Teil der Natur, eingebunden in ein integratives System von Natur, Mensch und Kultur.
„Wildnis“ entwickeln
Wir brauchen mehr Wildnis, damit sich die Natur unbeeinflusst von uns Menschen entwickeln kann. Derzeit wird auf nahezu allen Flächen in Deutschland, gestaltet, gepflegt und eingegriffen. Auf über 97% der Landfläche wird gewirtschaftet. Die Zunahme des Siedlungswachstums von 74 Hektar pro Tag zeigt, dass wir täglich Landschaft verlieren und lebenswerte Landschaften aufgrund von Infrastrukturmaßnahmen, Gewerbe- und Industriegebieten, Waldwirtschaft oder Energieprojekten bedroht sind. Daher wird immer entscheidender, dass auch ungenutzte Flächen bereit stehen, in denen natürliche Dynamik und Kreisläufe der Natur ohne aktive menschliche Lenkung zugelassen werden.
Landschaft bewahren - Landschaft entwickeln
Kulturlandschaft ist ein Begriff, der vom Menschen durch jahrhundertelanges, prozesshaftes Verändern von Landschaftsräumen geprägt wurde. Über Jahrzehnte gewachsene Landschaften sind uns vertraut. Wir werten es als Verlust, wenn zu starke Eingriffe in die Landschaft plötzlich entstehen und die Maßstäbe sich zeitlich und größenperspektivisch verändern. Vorindustrielle Windmühlen zum Beispiel waren maßstäblich in unsere Landschaft integriert und aus örtlichen Materialien erbaut. Landschaft und Technik bildeten eine materialästhetische und regionale Zusammenhänge darstellende Einheit. Bei den heutigen Windindustrieanlagen handelt sich aber nicht mehr um kleinteilige, sondern um gigantische Industriebauwerke mit großer Weitwirkung in zuvor meist nicht industriell geprägten Räumen. Die ursächliche Kennzeichnung von Landschaft, frei von unangepasster baulicher Überformung, wird damit aufgegeben. Damit wird der Weg für den flächendeckenden, unreflektierten und uns Menschen überfordernden Umbau unserer Landschaften in Industrielandschaften geebnet.