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07.07.2021 - PRESSEMITTEILUNG

Offener Brief

Erklärung zum prekären Waldzustand in Waldeck-Frankenberg

Buchenschirmschlag - Foto: Norbert Panek

Die aktuelle Situation des Waldes im Landkreis Waldeck-Frankenberg ist besorgniserregend. Das aktuelle Krisenmanagement der Forstwirtschaft allerdings beschränkt sich weitgehend auf waldschädliche Räumungen der Kalamitätsflächen und hektische Pflanzaktionen. Waldschützer fordern die Forstwirtschaft auf, anstelle teurem Aktionismus endlich eine sachkundige Fehleranalyse des eigenen Wirkens vorzunehmen und dabei alle Akteure mit einzubeziehen. Grundsätzlich zu fordern ist eine konsequente Abkehr von der Plantagenwirtschaft sowie eine Hinwendung zu einem Management, das den Wald als Ökosystem und nicht mehr länger als Holzfabrik behandelt. 

Wälder räumen gefährdet die Biologische Vielfalt

Wälder haben eine hohe Bedeutung für die Biodiversität. Bei Waldschäden nach Borkenkäferbefall greift der Forst massiv in den Waldbestand ein. Neue Untersuchungen an der Universität Würzburg kommen zu dem Ergebnis, dass beim Verbleiben von 75% der Bäume nach Sturmereignissen oder Insektenkalamitäten im Wald, 90% der vorkommenden Arten erhalten bleiben können. Werde jedoch die Hälfte des vorgeschädigten Waldes entnommen, verringert sich die Artenvielfalt um 25%.

Das Land Hessen hat als Reaktion auf den Klimawandel erhebliche Geldmittel bereitgestellt, um die entstandenen Schäden zu beseitigen, die Schadensflächen wieder aufzuforsten sowie für einen sogenannten „klima-angepassten“ Waldumbau u.a. auch unter Verwendung fremdländischer Baumarten. Bemerkenswerter Weise werden die vorwiegend als Folge der extremen Trocknis ab 2018 entstandenen Schäden alleine dem Klimawandel angelastet. Dabei trifft der Klimawandel auf einen Wald, der systemisch krank ist durch Baumartenverfremdung, Artenarmut, Monokulturen, durchschnittlich geringes Lebensalter, maschinelle Bodenverdichtung, Entwässerung, etc. etc.

Ein gesunder, widerstandsfähiger Wald würde anders aussehen.

Von offizieller Seite wird immer wieder betont: Eine „nachhaltige, multifunktionale und aktive“ Waldbewirtschaftung bleibe weiterhin unverzichtbar. Verwiesen wird auf die „Kohlenstoffspeicher- und Substitutionseffekte“ von Holzprodukten. Der Einsatz von Holz z. B. im Bauwesen solle verstärkt und damit die Holz-Nachfrage weiter angeheizt werden, - wohl wissend, dass der deutsche Forst diese Nachfrage längst schon jetzt nicht decken kann.

Forststrategie ändern

Bei all diesen Forderungen wird klar: An der bisherigen, jahrzehntelang praktizierten Forst-Strategie soll sich grundsätzlich nichts ändern. Das Konzept lautet weiterhin: Bäume fällen - Bäume pflanzen. Allenfalls soll sich das „Design“ der zukünftigen Kunst-Forsten aus perfekt ausgeklügelten Baumarten-Mischungen ändern, von denen man hellseherisch glaubt, sie könnten den Klimawandel unbeschadet überstehen. Allen Ernstes will man der Öffentlichkeit weiterhin eine sogenannte „Zukunftsstrategie“ zur Rettung des Waldes verkaufen, die nahtlos an das „Leitbild“ einer auf allgemeine Ablehnung stoßenden Holzfabrik anknüpft und angesichts der momentan großflächig zusammenbrechenden Nadelholz-Plantagen als gescheitert gelten muss. Für die Waldbesitzer sollen dafür noch erhebliche Beträge aus der Steuerkasse bereitgestellt werden.

Der Klimawandel und der Verlust an Biodiversität schreiten voran. Dies hat ohne Frage massive Auswirkungen auf alle Landökosysteme, wie auch auf den Wald in unserem Landkreis. Die Katastrophe ist bei genauerem Hinschauen jedoch auch Folge einer seit Jahrzehnten auf Nadelholz fixierten Forstwirtschaft - in einem Land, das einst von Natur aus flächendeckend von Laubmischwäldern, in unserem Kreis von Buchenwäldern dominiert wurde. Man gibt nicht gerne zu, dass man über 200 Jahre lang auf die falsche Nutzbaumart gesetzt und zudem künstliche, ökologisch hoch instabile und damit hoch risikoreiche Forst-Ökosysteme geschaffen hat. Ein ganzer Erwerbszweig hat sich mittlerweile vom Nadelholz abhängig gemacht. Jetzt stehen viele Waldbesitzer kurz vor dem Bankrott.

Selbstkritische Reflexion nötig

Es wäre nur ehrlich und zudem ein Zeichen politischer Größe gewesen, wenn die Verantwortlichen in den heimischen Forstbetrieben erklären würden: Ja, unsere Forstwirtschaft hat in der Vergangenheit Fehler gemacht, und ja, wir sind bereit für eine schonungslose Analyse, die nicht nur rein forstliche, sondern auch waldökologische Gesichtspunkte mit einbezieht. Stattdessen hat man sich auf allseits bereits bekannte, vorgestanzte Ausreden beschränkt, die jede selbstkritische Reflexion vermissen lassen.

Der Wald braucht mehr Ruhe

Klar ist: Wir brauchen endlich Ruhepausen für den Wirtschaftswald in unserem Landkreis, der jahrhundertelang ausgebeutet wurde. Wir brauchen eine neue, ökologisch orientierte Strategie für den zukünftigen Wald, - keinen hektischen „Waldumbau“, sondern schlicht Waldentwicklung – hin zu mehr Naturnähe, die dem Wald als Ökosystem den notwendigen Spielraum belässt, selbstregulierend auf die sich abzeichnenden Umweltveränderungen reagieren zu können. Mit dem Wald-Nationalpark „Kellerwald-Edersee“ verfügt der Landkreis über eine herausragende, weltweit anerkannte Referenzfläche, die beispielhaft belegen kann, wie naturbelassene Waldökosysteme auf sich rasch verändernde Umweltbedingungen reagieren, und die uns wertvolle Kenntnisse für den zukünftigen Umgang mit Wäldern liefert. Wir brauchen eine systemische Waldwirtschaft, die nicht weniger rentabel ist als die bisherige, ja noch nicht mal weniger Holz produziert als zuvor, dafür aber wesentlich stabiler und widerstandsfähiger gegen absehbare Umweltveränderungen sein würde. Die jetzt von allen Bürgern über ihre Steuern zu bezahlenden Hilfen für die Waldbesitzer sind politisch nur dann treuhänderisch im Sinne des Gemeinwohls gerechtfertigt, wenn die damit geförderten Wälder der Zukunft nicht wieder in der nächsten, in Teilen von der Forstwirtschaft selbst erzeugten Kalamität enden.

Darum fordern wir dringend eine strategische Neuausrichtung der Waldbewirtschaftung in Waldeck-Frankenberg (wie auch in Hessen):

  1. Zur Förderung der Sukzession dürfen die Kalamitätsflächen nicht mehr vollständig und nicht maschinell geräumt werden; es ist so viel Holz wie möglich im Bestand zu belassen (zur Förderung einer optimalen Boden- und Keimbettbildung, des Bodenfeuchte-Speichers sowie eines natürlichen Verbiss-Schutzes). Im Privatwald sollte der Nutzungsverzicht auf den Kalamitätsflächen gezielt gefördert werden, nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch um den Holzmarkt zu entlasten.
  1. Auf Kalamitätsflächen schwerpunktmäßig im Staats- und Kommunalwald ist die Wald-Wiederbegründung grundsätzlich durch natürliche Waldentwicklung (Sukzession) konsequent mit Pionierbaumarten einzuleiten. Größere Kahlflächen sollten sparsam mit maximal 400 bis 600 heimischen Großpflanzen pro Hektar bepflanzt werden, um gleichzeitig Sukzession zuzulassen. Im Privatwald sind Sukzessionen zur Wiederbegründung gezielt zu fördern.
  1. Bei der Förderung von Wiederbegründungs-Pflanzungen im Privatwald: Vorrang von standortheimischen Baumarten (aus regionalen Herkünften), die dem natürlichen Vegetationspotenzial entsprechen; weite Pflanzabstände wählen, um der Entwicklung von Pionierbaumarten ausreichend Raum zu lassen.
  1. Für unsere Zukunftswälder: Durchforstungen minimieren, mittel- bis langfristig kahlhiebsfreie, dauerwaldartige Plenterwaldstrukturen schaffen, Vorräte erhöhen, Waldinnenklima schützen/ Selbstkühlungsfunktion fördern (sollte höchste Priorität haben wegen des rasch fortschreitenden Klimawandels!), Schirmschläge in hiebreifen Altbuchenbeständen unbefristet einstellen; Schwersttechnik verbieten, weiteren Wegebau und -ausbau unterlassen, natürliche selbst regulatorische Entwicklungsprozesse im bewirtschafteten Bestand sowie auf (größeren) separaten Flächen im Sinne eines Verbundsystems zulassen und fördern; Schalenwilddichten drastisch reduzieren (Reform der Jagdgesetze), auch durch eine ökologisch und systemisch ausgerichtete Forstpolitik.
  1. Durchführung einer waldökologischen Bestandsaufnahme und Einführung eines ökologisch ausgerichteten Waldbaukonzepts mit einem Anteil von 10 Prozent nutzungsfreier Flächen für den größten Kommunalwald im Landkreis, den Waldeckischen Domanialwald.
  1. Um die Lücke im Bereich der bislang unterrepräsentierten, montanen Buchenwälder zu schließen, wird für den Staatsforstbereich am „Großen Diedensberg“ bei Bromskirchen die Ausweisung einer weiteren Referenzfläche für natürliche Waldentwicklung (Wildnisgebiet) in einer Mindestgröße von 1.000 Hektar gefordert.

Das skizzierte Vorgehen erfordert ambitionierte politische Entscheidungen. Die Forst-Klima-Krise macht ein radikales Umdenken in der herkömmlichen Forstpraxis zwingend erforderlich. Bitte haben Sie den Mut, diesen Paradigmenwechsel einzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen  

                                                           

Harry Neumann                                            Norbert Panek
Landesvorsitzender                                        Wissenschaftlicher Beirat
 

 

Empfänger des Offenen Briefes:

Dr. Reinhard Kubat, Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg

Karl-Friedrich Frese, Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Waldeck-Frankenberg

Reiner Hesse, Vorsitzender des Kreistages
 

CDU-Kreistagsfraktion/ Vorsitzender Timo Hartmann

SPD-Kreistagsfraktion/ Vorsitzender Karl-Heinz Kalhöfer-Köchling

Bündnis 90/ Die Grünen-Kreistagsfraktion/ Vorsitzender Daniel May

FDP-Kreistagsfraktion/ Vorsitzender Jochen Helmut Rube

Freie Wähler (FW)-Kreistagsfraktion/ Vorsitzender Uwe Steuber

AFD-Kreistagsfraktion/ Vorsitzender Stefan Ginder

 

Waldeckische Domanialverwaltung

Hendrik Block, Leiter Forstabteilung und Geschäftsführer Kommunalwald Waldeck-Frankenberg GmbH

Forstamt Frankenberg-Vöhl

Andreas Schmitt, Forstamtsleiter

Forstamt Burgwald

Eberhard Leicht, Forstamtsleiter

Landesbetrieb Hessen-Forst

Michael Gerst, Leiter

 
Bodenzerstörung durch Harvester-Fahrgasse - Foto: Norbert Panek

 


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