24.10.2024 - Klartext

Tieffrequenter Infraschall und Vibration aus technischen Anlagen gefährden unsere Biodiversität         

Von Dr. Ursula Bellut-Staeck

Bild: Siggy Nowak, pixabay

Grundlagen zur Feindurchblutung:

Lebenswichtige Funktionen des Lebens werden über die feinen Kapillaren des Blutgefäßsystems gesteuert. Das gilt für alle Organismen. Eine einlagige Zellschicht (Endothelzellen) umgibt alle Gefäßinnenwände  und bildet zusammen ein einheitliches Organ, das Endothelium.  Endothelzellen sind Schaltstellen, die u.a. Nährstoffe und Sauerstoff vom Blut ins Gewebe schleusen, die Gefäßweite nach Bedarf regeln. den Blutdruck, die Gerinnung, das embryonale Wachstum, die Entzündungen regulieren und das Immunsystem.

Nach neuem Wissenschaftsstand werden diese Funktionen über feine gleichförmige Ströme im Kapillarnetz gesteuert (1). Auf der Oberfläche der Endothelzellen nehmen Kraftsensoren (sog. Mechano-Sensoren) diese als Information auf und überführen sie in eine Reaktion in der Endothelzelle (Bild 1). Für die wichtigsten Gruppe dieser Kräftewahrnehmer, die PIEZO Kanäle, gab es 2021 den Medizinnobelpreis. Seitdem wissen wir, dass alle Lebewesen Kräfte und damit auch Schall über die Gefäße und die Haut aufnehmen, also auch mit dem ganzen Körper hören können, eine lebenswichtige Wahrnehmungsebene aller Lebewesen.

Bild: Grafik Dr. Ursula Bellut-Staeck

Die Auseinandersetzung von Tieffrequenzen und Vibration mit lebenden Organismen

Kurzzeitige tieffrequente Ereignisse kommen auch im natürlichen Umfeld vor (z.B. Erdbeben). Die Feindurchblutung (Mikrozirkulation) kann sich sofort erholen. Für Elefanten sind Vorläufer von Erdbeben Warnung, indem Tieffrequenzen über PIEZO-Kanäle der Haut entsprechende Gehirnzentren für Flucht, Angst aktivieren.

Infraschall (Schall unter 20 Hz) trägt sehr viele Kilometer weit, ist nicht hörbar, ist so gut wie nicht dämmbar, durchdringt alle viskoelastischen Materialien (Luft, Wasser, Dächer, Häuser) und alle Organismen. Mit der Größenzunahme der Windkraft- Rotoren nehmen die emittierten Frequenzen ab, die Gesundheitsschäden von Anwohnern und Haustieren zu, viele Wildtiere verlassen nach kurzer Zeit die Region. Nach Schwäche, Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, folgen bei chronischen impulsivem Tieffrequenzen Bluthochdruck, chronische Entzündung und organische Schäden.

Die Erklärung:

Infraschallimpulse können zu irregulärer Information auf der Ebene der  PIEZO-Kanäle der Endothelzellen werden und führen so zu Störungen der normalerweise eigenregulierten Gefäße (2). Ungesteuerte Ausschüttung von Gefäße erweiternden Stoffen wie Stickstoffmonoxid (NO) führt zu ansteigendem oxidativem Stress. Mechanischer Stress und oxidativer Stress sind die Voraussetzungen für ein „krankes“ Endothelium (3). Alle Lebewesen sind betroffen, so führt chronische Vibration in Waldböden, der Erde, dem Wattenmeer, auch zu ihrer Schädigung mit unabsehbaren Folgen.

Infraschallemissionen in Wasser durch offshore-Anlagen gefährdet nicht nur die Orientierung von Meeressäugern, sondern auch alle lebenswichtigen Funktionen, was zu einem lebensbedrohlichen Umweltfaktor für sie wird.

Das Resultat:

Wir haben auf der einen Seite eine riesige makroskopisch sichtbare Zerstörung der Lebensgrundlagen aller Arten durch Zerstörung von Naturlandschaften und gleichzeitig eine große Bedrohung der Lebensgrundlagen auf der zellulären Ebene. Betroffen sind Krebstiere, Insekten, Amphibien, Reptilien, Fische, Vögel und Wale bis hin zu den Bakterien. Weittragende Tieffrequenzen sind nicht kompatibel mit Lebensfunktionen. Es besteht sofortiger Handlungsbedarf.

Links zu Quellen:

(1) https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-66516-9

(2) https://www.scirp.org/journal/paperinformation?paperid=125553

(3) https://doi.org/10.9734/bpi/mria/v8

 



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