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26.04.2022

Baden-Württemberg

Der Windpark auf der Platte – ein Lehrstück

Von Wolf Hockenjos

„Abendländer hin oder her, irgendwer muss jetzt auch die Erinnerung an schon einmal wirklich gewesene Schönheit aufbewahren, und irgendwer muss irgendwie neue Schönheit schaffen.“ (Urs Widmer, Rede zur Petrarca-Preisverleihung, 1977)

Auf der Platte, dem Hochplateau östlich des Aussichtsbergs Kandel zwischen Dreisam- und Simonswäldertal gelegen, ist im Verlauf von zwei Jahrzehnten ein Windpark entstanden, der inzwischen aus neun Windenergieanlagen (WEA) besteht. Seine Existenz verdankt er nicht zuletzt dem Umstand, dass hier zwei Landkreise (Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald) aneinander grenzen wie auch zwei Gemeindeverwaltungsverbände (Waldkirch-Gutach-Simonswald auf der einen, St. Märgen-St. Peter-Glottertal auf der andern Seite). Weder aus St. Peter, noch aus der Gemeinde Simonswald, zu welchen die Platte  gehört, schon gar nicht aus dem Blickwinkel Waldkircher und Emmendinger Amtsstuben ist der Windparkstandort einsehbar – ein nicht zu unterschätzender Aspekt erfolgreicher Standortsuche.

Ausgelöst wurde diese bereits im Jahr 1996 durch die Bauvoranfrage eines Kinzigtäler Unternehmers, der ein Windrad auf den Kandel, den Waldkircher Hausberg, stellen wollte, ein Vorhaben, das damals beim heimatverbundeneren Teil der Bürgerschaft einen Aufschrei verursacht hatte: nie und nimmer werde eine WEA dort oben die Akzeptanz der Bevölkerung rundum finden, so wurde argumentiert. In Fällen wie diesem, im Falle gesteigerter öffentlicher Erregung also, pflegte man seinerzeit noch umgehend eine Arbeitsgruppe einzuberufen (tunlichst unter Einbindung des privaten Naturschutzes wie auch des Kreisbeauftragten für Naturschutz) mit dem Auftrag, standörtliche Alternativen mit weniger Sprengkraft ausfindig zu machen. Fündig wurde man alsbald auf den Höhen um Freiamt wie auch auf der der Stadt abgewandten Seite des Kandels, auf der Platte – womit der Versuchsballon mit der Verunzierung des Kandelgipfels zur allgemeinen Erleichterung rasch wieder heruntergeholt werden konnte. Noch im nämlichen Jahr stimmte der Simonswälder Gemeinderat einer Bauvoranfrage für drei Windräder zu, lebte man doch schon lange gern und gut mit den Segnungen regenerativer Energiegewinnung: Seit 1926 drehten sich im Simonswäldertal die Turbinen eines Wasserkraftwerks, gespeist vom Zweribach, der hierzu droben auf der Platte aufgestaut worden war. Dank baurechtlicher Privilegierung hatte das Landratsamt Emmendingen 1999 eilends die Baugenehmigung für die Windräder erteilt, wobei man es allenfalls versäumt hatte, die im benachbarten Landkreis südwärts angrenzenden Fremdenverkehrsgemeinden St. Peter und St. Märgen am Verfahren zu beteiligen. Die Fortschreibung des Flächennutzungsplans zur Positivausweisung von Windkraftstandorten erfolgte posthum im Jahr 2001.

Da standen sie nun also in der Landschaft, drei technisch bereits veraltete Maschinen, Fremdkörper, deren Rotorblätter zwar an der Küste ausreichend Strom zu liefern vermochten, offenbar jedoch nicht im Suboptimum der Windmüller, in der dünnen Luft der Schwarzwaldhochlagen mit ihren wechselnden Böen, den altweibersommerlichen Flauten, ihren Stürmen und ihrem winterlichen Eisbehang. Weil sie nicht die Leistung der Prospektangaben erfüllten, vergab die Universität Stuttgart Studien und Diplomarbeiten mit dem Ziel, „die Ursache des Nichterreichens der Leistungskurve“ zu erforschen. Heute stehen sie noch immer da, derweil der Stausee nebenan, in der Badesaison einst ein touristischer Anziehungspunkt der Region, trocken liegt. Wegen offener wasserrechtlicher wie betriebstechnischer Fragen sind die Turbinen des Wasserkraftwerks, dessen Druckleitung eine hierzulande sonst nirgendwo erreichte Höhendifferenz von 483 m aufweist, seit Jahren außer Betrieb.

Weil die Landschaft nun aber schon mit drei Windrädern „vorbelastet“ war, dreht sich seit 2002 nach Anpassung des Flächennutzungsplans auch auf dem sanktpetrischen Teil der Platte der Rotor einer moderneren und größeren vierten WEA, finanziert (dank öffentlicher Fördermittel) und betrieben von einem der Höhenlandwirte. Wenige Tage vor der mit priesterlichem Segen erfolgten Inbetriebnahme hatte der Landschriften Verlag den Hof rasch noch als beliebtesten Ferienhof Baden-Württembergs ausgezeichnet.

 

Die Platte, vom Kandelgipfel aus betrachtet – Foto: Wolf Hockenjos

Inzwischen stehen auf der Platte neun WEA, die jüngsten, 2013 im Staatswald errichtet, erreichen eine Gesamthöhe von 200 m. Einer der Giganten steht unweit eines Hofs, dessen Eigentümer sich alsbald, mutmaßlich durch Infraschall (durch das sog. „Turbinensyndrom“), in einem derart miserablen Gesundheitszustand befand, dass er sich nicht nur in eine neue Bleibe, sondern auch in die Arme der in St. Märgen gegründeten Bürgerinitiative zum Schutz des Hochschwarzwaldes e. V. flüchtete. Sie galt damals deutschlandweit als eine der allerersten von mittlerweile über 1000 Initiativen, in denen sich Bürger gegen die Errichtung von Windrädern zusammengefunden haben - oft genug geschmäht als St. Floriansjünger, „Nimbys“ (Not in my backyard), gar als „Klimaschänder“.

Die St. Märgener hatten sich aus nachvollziehbaren Gründen schon früh gegen die Windenergiegewinnung aufgelehnt: Beim Blick auf den Kurort mit seiner doppeltürmigen Marienwallfahrtskirche vom Südteil der Gemarkung aus erschien er plötzlich vor dem Hintergrund eines – ja, was denn bloß? –  eines neuartigen Golgathas. In krassem Gegensatz dazu der (ebenfalls mit einer doppeltürmigen Barockkirche versehene) Nachbarort St. Peter: dessen Gemeinderat sich soeben erst wieder für den Bau von drei weiteren, jetzt 270 (!) m hohen WEA droben auf der Platte entschieden hat. Denn vom Ort aus betrachtet, liegt das Hochplateau so weit hinterm Berg, dass Windräder, selbst mehr als doppelt so hoch wie der Freiburger Münsterturm, als mögliche Störfaktoren kaum zu befürchten sind. Eine Bildstörung, verursacht durch die Fern- und Suggestivwirkung eines Windparks auf das Orts- und Landschaftsbild oder auf die Befindlichkeit von Bürgern und Gästen, war für St. Peter auszuschließen. Und für St. Märgen war sie im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren offenbar nie Gegenstand der Bewertung und Abwägung, nie ein Thema gewesen.

Dem „Herrgottswinkel des Schwarzwalds“ (wie die Bilderbuchlandschaft um die beiden ehemaligen Klöster genannt wurde) ist, wie es ausschaut, nicht mehr zu helfen. Dabei waren die beiden Gemeinden noch 1999 in den Naturpark Südschwarzwald aufgenommen und 2001 per neu verordnetem Landschaftsschutzgebiet St. Märgen St. Peter besonders geschützt worden; dessen Verordnung verbietet ausdrücklich alle Handlungen, „die den Charakter des Gebiets verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen, insbesondere wenn dadurch (…) das Landschaftsbild nachhaltig geändert oder die natürliche Eigenart der Landschaft auf andere Weise beeinträchtigt wird.“

Als ob wir mittlerweile im übergesetzlichen Notstand lebten. Und als ob der Landschaftsbetrachter der Fridays-for-Future-Generation die Symbolkraft von Windrädern ohnehin nicht schon so verinnerlicht hätte, dass diese, egal in welcher Landschaft, vorwiegend Zuversicht und Glücksgefühl auslösen. Vollends egal auch, wie stark die technische Dominanz eines Windparks das Natur- und Landschaftserlebnis überlagert. Alles scheint nur noch eine Frage der Gewöhnung zu sein! Dass der Zielkonflikt zwischen Artenschutz und Energiewende „naturverträglich“ gelöst werden könne, verkünden die Umwelt- und Energieminister von Bund und Ländern derzeit nahezu täglich in ihren Statements und Eckpunktepapieren, spätestens seit der Druck durch die drohende Gasversorgungslücke den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energie zur nationalen Pflichtübung der obersten Dringlichkeitsstufe befördert hat. Von Landschaftsschutz, der dritten Säule des gesetzlichen Naturschutzes (neben Biotop- und Artenschutz), ist schon seit längerem kaum mehr die Rede – Gesetzes- und Verordnungstexte hin oder her.

Dabei war es doch nicht zuletzt den Bemühungen und Errungenschaften von einhundertfünfzig Jahren Landschafts- und Heimatschutz zu verdanken, dass der Schwarzwald noch bis unlängst einen nachgerade legendären Beliebtheits- und weltweiten Bekanntheitsgrad als touristische Vorzeigelandschaft genießen durfte. Wo halbwegs unverbaute und unvorbelastete Kulturlandschaften inzwischen doch längst zur äußerst knappen und also umso wertvolleren Ressource geworden sind. Für die Genehmigungsbehörden von Windparks ist das als schön empfundene, noch leidlich unversehrte Landschaftsbild selbst in Schutzgebieten dennoch mittlerweile zum „weichen Kriterium“ verkommen.

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