31.07.2025 - Neuigkeiten

NI stoppt Fischotterabschuss in Bayern

Unklar: Wie stark ist die Population der Fischotter in Bayern überhaupt?

BAY / Das Verwaltungsgericht Regensburg (VG) hatte der Klage der Naturschutzinitiative e.V. (NI) gegen den Abschuss von Fischottern im Regierungsbezirk Oberpfalz stattgegeben. Der Regierungsbezirk Oberpfalz/Bayern hatte mittels einer Ausnahmeverfügung (Allgemeinverfügung) 23 Fischotter jährlich zum Abschuss freigegeben, um örtlichen Fischwirten zu helfen. Gegen diese Allgemeinverfügung hat die Naturschutzinitiative e.V. (NI) vor dem Verwaltungsgericht (VG) Regensburg erfolgreich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt  und eine aufschiebende Wirkung erreicht. Darüber hinaus hat die NI zusätzlich einen Normenkontrollantrag beim Bayerischen Verwaltungsgericht in München gestellt, um zu prüfen, ob Bayern es überhaupt erlauben darf, dass eine solche Ausnahmeverfügung getroffen wird, um Fischotter abzuschießen.

Die gute Nachricht: Das Verwaltungsgericht Regensburg (VG) hatte Ende März den Eilantrag der Naturschutzinitiative e.V. (NI) gegen den Abschuss von Fischottern im Regierungsbezirk Oberpfalz stattgegeben. Damit stellte es die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage wieder her, mit der die NI gegen eine Allgemeinverfügung des Regierungsbezirks Oberpfalz vorgeht. Das Gericht begründete seine Entscheidung: „Das Aussetzungsinteresse überwiegt das Interesse am Sofortvollzug, weil die Anfechtungsklage in der Hauptsache bei der gebotenen summarischen Prüfung Aussicht auf Erfolg hat.“

Die Allgemeinverfügung ist die Rechtsgrundlage, auf die sich der Regierungsbezirk Oberpfalz bezieht, um Fischotter zum Abschuss freizugeben. Die Allgemeinverfügung wiederum beruht auf einer bayerischen Ausnahmeverordnung (BayAAV).

Hierzu sagte das VG Regenburg: „Neben dem voraussichtlichen Erfolg der Anfechtungsklage als wesentliches Indiz dafür, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederhergestellt werden muss, tritt der Umstand, dass die weitere Vollziehung der angegriffenen Allgemeinverfügung … gewichtige Nachteile befürchten lässt.“

Wichtigen Teilerfolg errungen

Damit erzielte die NI e.V. einen wichtigen Teilerfolg: „Das Gericht hat noch gar nicht geprüft, ob die der Allgemeinverfügung zugrunde liegende Vorschrift der bayerischen Ausnahmeverordnung (BayAAV) rechtmäßig ist“, erklärte Gabriele Neumann, stellvertretende Landesvorsitzende der Naturschutzinitiative e.V. (NI) in Bayern. Außerdem ist nicht geprüft worden, ob die Allgemeinverfügung gegen die europäische FFH-Richtlinie verstößt.

Ob es hierzu noch kommen wird, steht noch nicht fest. „Die Tötung von Fischottern stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Natur dar. Wir gehen davon aus, dass die bayerische Ausnahmeverordnung zur Tötung dieser europaweit geschützten Art außerdem auch gegen die FFH-Richtlinie verstößt“, so Gabriele Neumann.

Wie viele Fischotter gibt es in Bayern?

Die Zahl der 23 Fischotter, die nach Ansicht des Regierungsbezirks Oberpfalz jährlich „entnommen“ werden dürfen, beruht auf einem im Jahre 2023 erstellten Gutachten. Dieses hat der Regierungsbezirk selbst in Auftrag gegeben und bisher nicht veröffentlicht. Angeblich geht das Schätzgutachten davon aus, dass es in der Oberpfalz etwa 393 Fischotter gebe. So steht es in der Allgemeinverfügung. Doch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft nennt andere Zahlen. Diese geht davon aus, dass der Bestand weit niedriger, nämlich bei etwa 209 Fischottern zuzüglich einer Dunkelziffer liege.

Die Regierung der Oberpfalz nimmt an, dass die Fischotterpopulation in der Oberpfalz durch den jährlichen Abschuss von 23 Tieren nicht dezimiert würde. Denn aus im Osten angrenzenden Ländern wie Tschechien und Österreich würden neue Tiere zuwandern, außerdem würde der Nachwuchs der bayerischen Fischotter die Entnahmen kompensieren.

Blick auf Population in der gesamten Region richten

Die NI kritisiert diese Sichtweise. Es fehlt der Blick auf die Populationszahlen in ganz Deutschland und im westlichen Teil Kontinentaleuropas. Es müssten – auch nach der Rechtsprechung des EuGH – auch die dortigen Bestandszahlen einbezogen werden. Und diese Populationen seien deutlich kleiner; denn der Fischotter wandert von Osten nach Westen zu, ähnlich wie der Wolf. Der Fischotter braucht die Tiere aus der Oberpfalz, sonst kann er sich nicht weiter in Deutschland ausbreiten. Seine Population ist noch immer gefährdet, etwa durch Straßenverkehrsunfälle. Die Fischotterpopulation in der Oberpfalz verträgt daher keinen Abschuss dieser Größenordnung.

Hilft ein Abschuss den Fischwirten?

Die Zuwanderung der Fischotter aus dem Osten stellt auch in Frage, in wieweit ein Abschuss den Fischwirten überhaupt helfen würde. Wenn vor allem die Elterntiere geschossen würden, dann kann es passieren, dass sich die unerfahrenen Jungtiere erst recht zu den Fischteichen begeben. Denn sie können noch nicht so gut jagen und würden die leichter greifbare Beute vorziehen. „Die Jagd auf Fischotter löst nicht das Problem. Letztlich darf es Abschussgenehmigungen nur in besonderen und gut begründeten Einzelfällen geben – also nicht auf der Grundlage einer Rechtsverordnung plus einer Allgemeinverfügung, sondern nur, sofern überhaupt, aufgrund einer behördlichen Einzelfallentscheidung“, betonte der bayerische Landesvorsitzende Harry Neumann.

„Wenn Teichwirte durch einen Beutegreifer wie Fischotter, Graureiher oder Kormoran Verluste erleiden, denken sie und die örtlichen Behörden meist zuerst an die Beseitigung der Beutegreifer statt an eine Beseitigung der Schadensursache. Der Fischotter ist eine streng geschützte Tierart und darf nicht gejagt werden“, betont Dr. Wolfgang Epple, Wissenschaftlicher Beirat der NI.

„Herausforderungen mit Tieren, die wieder in ihre ursprünglichen Lebensräume zurückkehren, können nicht dadurch ‚gelöst‘ werden, dass diese getötet werden. Über deren eigenständige Rückkehr sollten wir uns freuen“, betonte Gabriele Neumann. „Eine aufgeklärte Gesellschaft ist schon ethisch verpflichtet, Wege der Koexistenz zu finden. Daher lassen wir diese Frage vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München klären und sorgen damit für Rechtssicherheit.“ Unterstützt werden die Anträge und Klagen der NI e.V. durch die Stiftung Pro Artenvielfalt (SPA).

Darf Bayern Ausnahmen verordnen?

Die NI hat zusätzlich beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München einen Normenkontrollantrag gegen § 3 der bayerischen Ausnahmeverordnung (BayAAV) gestellt. Darüber ist noch nicht entschieden worden. „Es geht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Normenkontrolle zielt auf die Beseitigung der BayAAV, soweit es um den Fischotter geht. Wird diese vom VGH für rechtswidrig erklärt, können die sieben Bezirksregierungen in Bayern keine Allgemeinverfügungen mehr erlassen“, verdeutlichte Gabriele Neumann.

„In Bayern besteht für den Artenschutz Nachholbedarf in Rechtstreue, wie die wiederholten Versuche zeigen, gegen unliebsame Arten auf Kosten des geltenden Rechts vorzugehen. Für den Umgang mit Arten im Interessenkonflikt müssen die rechtlichen und moralischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte Bestand haben. Das Artenschutzrecht ermöglicht sehr wohl den Ausgleich der Interessen“, betonte Dr. rer. nat. Wolfgang Epple, Biologe, Sprecher der NI In Bayern und Wissenschaftlicher Beirat der Naturschutzinitiative e.V. (NI).

Verstoßen Ausnahmeverordnungen gegen die FFH-Richtlinie?

Nach Auffassung der NI verstößt die bayerische Ausnahmeverordnung gegen die FFH-Richtlinie. § 45 Absatz 7 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BNatSchG verlange eine abgewogene Einzelfallentscheidung. Begründet werden müsse, weshalb im konkreten Fall das Wirtschaftsinteresse des Fischwirts wichtiger sei als das Allgemeininteresse am Artenschutz.

Das Bayerische Naturschutzgesetz (BNatSchG) setzt die europäische FFH-Richtlinie um, weiche aber von dieser in einem Punkt ab: Nach § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG dürfen die Länder Ausnahmen auch mittels einer Rechtsverordnung zulassen. Diese Vorschrift steht nach Auffassung der NI nicht im Einklang mit Art. 16 der FFH-Richtlinie. Außerdem ist eine Allgemeinverfügung (der Regierung Oberpfalz) keine Rechtsverordnung.

Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht

Der Freistaat Bayern hat auf Grundlage von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten nicht nur den Abschuss von Fischottern, sondern auch von Kormoranen und Bibern geregelt.

Gleichzeitig delegiert der Freistaat einen Teil der Entscheidungen an die höheren Naturschutzbehörden, also an die bayerischen Regierungen der Regierungsbezirke. Insbesondere sollen diese Bezirksregierungen Obergrenzen für Abschusszahlen festlegen. Dadurch wird Einfluss auf die Einzelfallentscheidungen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG genommen.

Auch das hält die NI für unzulässig und lässt deshalb den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München folgende Fragen prüfen:

  • Darf Deutschland Ausnahmen von der FFH-Richtlinie überhaupt mittels einer Rechtsverordnung zulassen?
  • Sind nicht vielmehr ausschließlich Einzelfallentscheidungen statthaft?
  • Darf ein Bundesland die Rechtsverordnung aufteilen in eine eigene Rechtsverordnung einerseits und eine behördliche Allgemeinverfügung andererseits?

Die NI geht von einem Formverstoß aus. Ein Land dürfe gesetzlichen Ausnahmen nicht an Behörden delegieren. Nachdem sie eine aufschiebende Wirkung durch den Eilbeschluss erreicht hat, wird nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zu diesen Fragen Stellung nehmen.

YouTube-Kanal von Dr. Epple


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