Von der Natur berührt werden

Von Angelika Sitte, Sprecherin der NI-Regionalgruppe im Schwarzwald-Baar-Kreis
„Kinder verlieren immer mehr den Kontakt zur Natur. Daher sollen Schulen Gärten einrichten, in denen die Kinder wieder mit der Natur in Berührung kommen.“ So eine Meldung im Radio, die ich kürzlich hörte. Da habe ich ja alles richtig gemacht, dachte ich für mich im Stillen.
Den Schulgarten gibt es an meiner kleinen Grundschule auf dem Land bereits seit über 20 Jahren und er erfreut sich steter Beliebtheit. Die Kinder lieben es, in der Erde zu wühlen, Regenwürmer werden beim Umgraben liebevoll gerettet, Ameisenhaufen sorgsam geschützt. Gerade die ärgsten Rabauken zeigen sich beim Arbeiten im Schulgarten von deren sanften Seite. Im Unterricht motorisch unruhige und sehr viel Aufmerksamkeit fordernde Kinder werden durch die gemeinsame Arbeit ruhiger und ausgeglichener.
Von der Natur berührt werden
Es genügt nicht, Kindern (und auch Erwachsenen) abstraktes Wissen über die Natur zu vermitteln. Sie müssen raus in die Natur gehen, in diese eintauchen, von ihr berührt werden, über deren Schönheit staunen. Liebe zur Natur entsteht durch positive Erfahrungen, die wir in der Natur machen. Und was wir lieben schützen wir. Die Idee zu einer NI-Kindergruppe, in der Kindern Erfahrungen in und mit der Natur ermöglicht werden soll, reifte schon längere Zeit in mir heran. Dieses Jahr habe ich sie dann endlich umgesetzt. In Lucia, Nora und Andrea fand ich Mitstreiterinnen, wir trugen unsere Ideen und Vorstellungen zusammen und erstellten ein Konzept. Neben der Liebe zur Natur sind die Achtung vor dieser und das Kennenlernen von
PflanzenPflanzen Pflanzen sind ein wichtiger Teil der Biodiversität. Sie ist unsere Lebensgrundlage, aber mehr als nur Artenvielfalt. Ohne Pflanzen wäre ein Leben für uns Menschen auf der Erde nicht möglich. und Tieren weitere Zielsetzungen. Die Kinder sollen lernen, mit offenen Augen durch die Natur zu gehen und erkennen, dass diese schützenswert ist.
Gemeinsam aktiv sein
Gemeinsame Aktivitäten wie Spiele, Basteln, Nahrung zubereiten und gemeinsames Essen sollen in den verschiedenen
LebensräumeLebensräume Wir schützen Lebensräume! Bedrohte Vielfalt schützen und erhalten!n Wald, auf der Wiese, am Gewässer und auf dem Feld stattfinden. Schnell waren wir uns einig, dass die Naturentdeckertage regelmäßig und mit einer festen Kindergruppe stattfinden sollen. Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren aus der Umgebung von Blumberg im Schwarzwald-Baar Kreis waren die Zielgruppe. Die Gruppengröße sollte zwölf Kinder nicht überschreiten. Nora lieferte Ideen zu einem Flyer, der von der Grafikerin der NI kindgerecht und sehr ansprechend umgesetzt wurde. Verteilt wurden die Flyer über die umliegenden Grundschulen und es erschienen Anzeigen an zwei Terminen im Amtsblatt der Stadt Blumberg.
Mit zwölf angemeldeten Kindern hatten wir die angestrebte Gruppengröße erreicht und der erste NI-Kindergruppen-Nachmittag fand Ende Juni statt. Kurz vor drei Uhr nachmittags trafen die gut gelaunten und neugierigen Kinder im Alter zwischen fünf und neun Jahren an der Hondinger Hütte, unserem seitdem festen Treffpunkt an einer Lichtung am Waldrand, ein. An diesem Tag stand das Kennenlernen im Vordergrund, sowohl der Kinder und Gruppenleiterinnen als auch der Umgebung um die Hondinger Hütte. Wir versammelten uns um den Grillplatz, der mit Holzbänken, die rund um die Feuerstelle platziert sind, dazu einlädt, sich untereinander auszutauschen.
Sich spielerisch näher kommen
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde spielten wir „Tiere raten“, bei dem jedes Kind am Rücken eine Bildkarte von einem Tier angeheftet bekam. Durch Fragen, die an die anderen Teilnehmer gerichtet waren, sollten die Kinder erraten, welches Tier sie sind. Die Fragen mussten so gestellt werden, dass sie nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. Bei diesem Spiel wurde viel gelacht und die Teilnehmer kamen sich spielerisch näher. Seither beginnen wir jeden unserer Nachmittage mit diesem Spiel, mit immer zum Thema passenden Tierarten.
Nach diesem sehr lebendigen Spiel setzten wir uns nochmals in den Kreis. Die Kinder sollten die Augen schließen und zählen, wie viele verschiede Geräusche sie hören. Mit sehr großer Ruhe und Konzentration wurde diese Aufgabenstellung befolgt. Eigentlich sollte nur die Anzahl genannt werden, doch es wurden auch die Geräusche benannt und mit Erstaunen festgestellt, was da alles an diesem schon recht warmen Sommertag in der Luft unterwegs war.
Pflanzenmemory und Holunderwasser
Um den Ort zu erkunden, an dem wir uns zukünftig einmal im Monat treffen wollten, hatten wir ein Pflanzenmemory vorbereitet. Es wurden vier Gruppen gebildet und jede Gruppe bekam verschiedene Blätter und Blüten, zu denen sie jeweils das passende Paar suchen sollten. Schnell entstand ein gewisser Wettbewerb unter den Gruppen und die Kinder waren eifrig dabei, die entsprechenden Pflanzenteile zu suchen. Die gesammelten Pflanzenteile wurden besprochen und namentlich benannt. Hier konnte so manches Kind sein großes Vorwissen mit einbringen.
Nach einer Pause, in der sich alle mit von Lucia hergestelltem Holunderwasser und Obst sowie Kraftkeksen gestärkt hatten, waren die Kinder auf das nächste Spiel gespannt. Eulen und Krähen standen sich in zwei Reihen gegenüber. Es wurden Aussagen getroffen, die entweder richtig oder falsch waren. Waren sie falsch, durften die Krähen die Eulen fangen und waren sie richtig, ging es in die andere Richtung. Dabei mussten wir feststellen, dass nicht alle Aussagen so ganz eindeutig sind. Zum Beispiel gibt es sehr wohl Fische, die auch fliegen können. So entstand das eine oder andere Mal eine hitzige Diskussion, nachdem die Kinder erst mal in alle möglichen Richtungen liefen. Die Kinder hatten riesigen Spaß dabei und wurden nicht müde, sich immer wieder aufzustellen und sich dann begeistert gegenseitig zu fangen.
Auf den Spuren von Spinnen, Käfern und Schneckenhäusern
Etwas ruhiger ging es bei der letzten Aktivität des Nachmittags zu. Mit einem Seil wurde entweder auf der Wiese oder im Wald ein Stück abgegrenzt und erforscht, was an ganz kleinen Lebewesen dort zu finden war. In einer Becherlupe wurden die Spinnen, Käfer oder auch Schneckenhäuser genau betrachtet und untersucht. Das gegenseitige Zeigen der Fundstücke war hierbei den Naturforschern sehr wichtig. Hatte jemand etwas Besonderes gefunden, wurde dies mit großem Hallo begrüßt und bestaunt. Natürlich wurden die kleinen Lebewesen im Anschluss an deren Fundort wieder ausgesetzt.
Zum Abschluss des Nachmittags trafen wir uns noch mal am Grillplatz und reflektierten die Erlebnisse. In einem kurzen Blitzlicht benannten die Teilnehmer, was ihnen gefallen und auch was ihnen nicht so gut gefallen hat. Alle Kinder fanden den Nachmittag so gut, dass sie auf jeden Fall das nächste Mal wieder dabei sein wollten.
Auch wir Gruppenleiterinnen waren nach dieser Feuertaufe doch etwas erleichtert und freuten uns über die gelungene Aktion. Zu erleben, mit welcher Begeisterung und aber auch Ernsthaftigkeit die Kinder bei solch einer Sache dabei sind, ist für uns Erwachsene der Antrieb, Energie und Zeit dafür zu investieren. Mit Freude und voller Elan planten wir die nächsten Naturentdeckertage, die immer am letzten Donnerstag im Monat stattfinden sollten.
Müll gehört nicht in den Wald
Im Juli wollten wir immer noch im Wald bleiben und den Fokus auf das genaue Hinschauen legen. Nach der Begrüßungsrunde und dem Tiere Raten gingen wir mit Tüten ausgestattet einen Pfad durch den Wald. In Gruppen eingeteilt hatten die Kinder die Aufgabe, auf dem Wegrand Dinge zu entdecken, die nicht in den Wald gehörten. Lucia und ich hatten zuvor Gegenstände und zum Teil Abfall aus dem Gelben Sack am Wegesrand entlang ausgelegt, jedoch fanden die Kinder noch weitaus mehr Müll und nahmen diesen selbstverständlich mit. Zurück an der Feuerstelle endete nicht der Enthusiasmus der Kinder und sie hatten den Ehrgeiz, auch den Grillplatz vom Müll zu befreien. Sie waren entsetzt darüber, wie viel Müll hier herumlag. Alle waren sich einig darüber, dass der Müll nicht in den Wald gehört. Die Tiere könnten sich zum Beispiel an Glasscherben oder scharfkantigen Dosen verletzen oder aus Flaschen nicht mehr herauskommen. Glas könnte zu Waldbränden führen. Auch an diesem Nachmittag durfte das Raben/Eulen Spiel nicht fehlen, das alle nach einer kleinen Stärkung mit großer Begeisterung spielten. Von Müdigkeit nach unserer Exkursion war nichts zu spüren. Nach einer Abschlussrunde wurden die ausgepowerten und zufriedenen Kinder von ihren Eltern abgeholt.
Tiere im Wasser – Boote und Floße aus Schnur und Korken
Im heißen August waren zwar einige Familien im Urlaub, doch wollten wir den Gruppennachmittag nicht absagen. Wasser war diesmal unser Thema. Tiere, die in und am Wasser leben, sollten folglich bei unserem Anfangsspiel erraten werden. Aus Rinde, Schaschlikspießen, Zahnstochern, Schnur und Korken wurden mit Hilfe von Handbohrern und Sägen Boote oder Floße gebaut. Große Ahornblätter dienten als Segel. Natürlich mussten die Wasserfahrzeuge auf deren Tauglichkeit überprüft werden. Mangels eines geeigneten Gewässers an unserem Treffpunkt, spazierten wir zum Mühlbach im Ort und ließen dort die Boote zu Wasser.
Schnell waren die Schuhe und Strümpfe ausgezogen und die Kinder wateten durchs Wasser. Die Erfrischung tat gut, und es gab schon mal auch einen Ausrutscher, bei dem der ein oder andere baden ging, was mit großem Gelächter einherging. Es wurde an diesem Nachmittag aber auch geforscht. Aus dem Bach entnahmen wir Wasserproben und betrachteten durch die Becherlupen, was sich in einem fließenden Gewässer so alles tummelt.
Im Dauerregen den Schatz der Wichtel suchen
Im September waren wir wieder im Wald, eigentlich wegen der Hitze, die wir im September befürchteten, doch letztendlich hatten wir an unserem Gruppennachmittag Dauerregen. Aber der hielt uns nicht davon ab, den Schatz der Wichtel zu suchen. Die Kinder verfolgten Pfeile aus Ästen und Gräsern, die ihnen den Weg in ein nahe gelegenes Waldstück zeigten, wo sie den versteckten Schatz schließlich fanden. Der Inhalt der Schatztruhe diente als willkommene Vesper, und dann machten wir uns gemeinsam daran, aus Ästen und Rindenstücken einen Unterschlupf zu bauen. Alle halfen mit und waren mit großer Begeisterung dabei. Über den Regen hat sich an diesem Nachmittag niemand beschwert.
Weidenstecklinge an der Bachböschung
Im Oktober nahmen wir mit unseren Naturentdeckern und
deren Eltern an einer Renaturierungsmaßnahme des Stadtbauamtes Blumberg am Mühlbach in Hondingen teil. Unter fachkundiger Anleitung durch Manfred Reisser vom Baurechts- und Naturschutzamt des Landratsamtes Schwarzwald-Baar pflanzten wir Weidenstecklinge an der Bachböschung. An dieser sehr nassen und matschigen Aktion hatten alle sichtlich große Freude und waren mit vollem Einsatz dabei. Zum Ausklang dieses Vormittages wurden die Teilnehmer auf der Terrasse des Sportlerheims mit Kesselwurst, Käselaugen, Kinderpunsch und Glühwein bewirtet.
Obstbäume, Hecken, Nisthilfen im Garten
Im November stellte uns Lucia ihren Garten zur Verfügung. An ihren Obstbäumen und in den Hecken hängen einige Nisthilfen für verschiedene Vogelarten. Nach Bewegungsspielen zum Aufwärmen durften die Kinder den Jäger Bernhard Keller beim Säubern der Nistkästen begleiten. In drei Vogelkästen befanden sich verlassene Nester, die von den Kindern neugierig inspiziert wurden. Spatzen, Baumläufer und Meisen wurden als deren ehemaligen Bewohner anhand des unterschiedlichen Nistmaterials
identifiziert. Am Lagerfeuer durften sich die Kinder im Anschluss Stockbrot backen und sich mit Kinderpunsch aufwärmen. Dies war ein stimmungsvoller Jahresabschluss, der uns Lust auf weitere Treffen im neuen Jahr machte.
NI-Naturentdecker – Ein großer Erfolg
Mittlerweile wurden 15 Kinder verbindlich angemeldet. Wir bekommen
positive Rückmeldungen durch die Eltern und auch kleinere Geschwisterkinder wollen schon mitmachen. Daher ist das Alter der Naturentdecker mit fünf bis neun Jahren niedriger als gedacht, aber wir hoffen, dass die Gruppe im Laufe der Jahre mit „hochwächst“. Am Jahresende 2024 haben wir gemeinsam mit dem Team das erste Halbjahr 2025 geplant. Ein neues Jahr der NI Naturentdecker mit spannenden Naturschutzthemen hat begonnen. Wir werden wieder in die Natur eintauchen, um uns von ihr berühren zu lassen.
Angelika Sitte ist Rektorin der Frobenius-Thomsin-Schule, Grundschule in Blumberg-Riedöschingen und Sprecherin der Regionalgruppe der
NaturschutzinitiativeÜber die Naturschutzinitiative e.V. (NI) Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger und bundesweit anerkannter Naturschutzverband. e.V. (NI) im Schwarzwald-Baar-Kreis.
Dieser Artikel wurde im Naturschutz Magazin Ausgabe 01/2025 veröffentlicht.
Beitrag als PDF downloadenWerde Naturentdecker! Schnuppertag der NI-Kindergruppe Westerwald
Einladung zum Schnuppertag für Kinder im Alter zwischen 6 und 12 Jahren aus der Verbandsgemeinde Selters/Westerwald und den umliegenden Dörfern. +++ Diese Veranstaltung ist leider schon ausgebucht. Wir führen eine Warteliste +++
10 Jahre NI: Die erste Jubiläumsausgabe des Naturschutz Magazins ist online!
In diesem Jahr feiern wir 10 Jahre Naturschutzinitiative e.V. (NI). Lesen Sie in der ersten von drei Jubiläumsausgaben spannende und fachlich exzellente Artikel unserer Wissenschaftlichen Beiräte und Aktiven. Außerdem gibt es eine Bilderreihe mit Schnappschüssen aus 10 Jahren NI.
Gelungener Jahresabschluss der kleinen NI-Naturentdecker
Baden-Württemberg / Die NI-Kindergruppe "Naturentdecker" in der Region Schwarzwald-Baar lernte bei ihrem letzten Treffen in diesem Jahr die verschiedenen, dort heimischen Vogelarten kennen. Spatzen, Gartenbaumläufer und Meisen hatten im letzten Jahr die Nistkästen bewohnt.
Headline
here be text