16.05.2024 - Klartext

Frontalangriff der Ampel auf den Naturschutz     

Der Frontalangriff der Ampel auf den Naturschutz     

Nachbetrachtung zu einer zweijährigen Bilanz

Von Dr. Wolfgang EppleWolfgang Epple Dr. rer. nat. Wolfgang Epple ist Biologe und Autor zahlreicher Bücher, u.a. auch von „Windkraftindustrie und Naturschutz sind nicht vereinbar“ (2021) und gehört dem Wissenschaftlichen Beirat der NI an.

Im Januar 2022 habe ich aus Anlass des Koalitionsvertrages der Ampel-Regierung den durch die angekündigten Gesetzespakete (sogenannten „Osterpakete“) aufscheinenden Frontalangriff auf den Naturschutz skizziert und mit etlichen Quellen belegt. Der Text wird hiermit heute nochmal in Erinnerung gerufen.

Lesen Sie den Beitrag aus 2022 hier >>>

Nach etwas mehr als zwei Jahren ist der absehbare Kahlschlag des Naturschutzes weitgehend Wirklichkeit geworden. Die Auswirkungen gezielter Gesetzesänderungen werden sichtbar. Zügig werden in „Fortschreibungen“ von Regionalplänen oder Neuauflagen auch wertvollste Wälder und Landschaften Deutschlands der Windkraftindustrie und der Freiflächen-PV übereignet. Pachtpreise unter den Anlagen steigen im Rahmen des Booms und durch Subvention in teilweise bereits sittenwidrige Höhen. Fruchtbares Land wird zum Lieferant volatiler elektrischer Energie mit unsicherem Ausgang für die Versorgungssicherheit.

Die Ankündigung Robert Habecks im SPIEGEL vom 19. Dezember 2021 (unter der dortigen Überschrift „Habecks große Pläne“) zum veränderten Antlitz des Landes wird zur verwirklichten Dystopie. Deutschland wandelt sich vom einstigen Vorreiter zum schlechtesten Land für Natur-, Arten- und Landschaftsschutz in ganz Europa.

Freilich hat Annalena Baerbock den von mir 2022 per Screenshot gesicherten und zitierten Unsinn zur Versorgungssicherheit aus ihrer Homepage entfernen lassen. An der Utopie aber hält man in ihren und weiteren Kreisen der Politik fest. Die Lippenbekenntnisse zum Biodiversitätsschutz, gar zur Abmilderung der Kollateralschäden des entfesselten Ausbaus speziell der Windkraft haben sich am krassen Missverhältnis zwischen Kosten für die Gesellschaft und Gewinnmaximierung bei den Windkraft-Profiteuren einerseits und  andererseits der beschämend mickrigen finanziellen Ausstattung der „Artenhilfsprogramme“ als dreiste Irreführung der Öffentlichkeit entlarvt.

Man sollte in diesem Zusammenhang nicht die verheerende Rolle des Sachverständigen Rates für Umweltschutz (SRU) vergessen, dessen „Impulspapiere“ und „Stellungnahmen“ aus Oktober 2021 und Februar 2022 (unter den Titeln „Rückenwind für Klimaschutz“, bzw. „für einen konsequenten Ausbau der Windenergie an Land“) sich teilweise 1:1 in den Ampel-Paketen wiederfinden.

Eine politisch wirksame und wachsame Opposition hätte vor zwei Jahren durch Normenkontrolle vielleicht das Schlimmste aus den „Osterpaketen“ der Ampel verhindern können. Wo und wie aber soll fundiert und fachlich bzw. rechtlich sowie ethisch konsistent der dringend benötigte Einhalt geboten werden, wenn Politiker aller Parteien von den höchsten Gremien bis hinunter auf Kreis- und Kommunal-Ebene die Invasion der Windkraft auf Kosten von Mensch und Natur im Fahrwasser der politisch GRÜN-ausgelösten Bugwelle mit medial belobigten Spatenstichen für die Erneuerbaren-Industriegebiete aller Ortens feiern? Dass es gerade die früher einmal Wert-Konservativen sind, zeigt in diesen Tagen besonders eindringlich der Freistaat Bayern, wo sich MP Söder und der verantwortliche Minister Aiwanger als Erfüllungsgehilfen der grünen Agenda förmlich in Agitation und Propaganda überschlagen. Die Muster haben ähnlich konfigurierte Polit-Konstellationen in anderen Bundesländern seit Jahren geliefert. Etwa traditionell die SPD mit den GRÜNEN in Niedersachsen. Voran aber ist das GRÜN-Schwarz regierte Baden-Württemberg zu nennen, wo ein Regierungs-Tandem aus MP Kretschmann und Forstminister Hauk die Auslieferung der Staatswälder an die Windkraftindustrie vormacht und als Großtat für den „Klimaschutz“ zelebriert. Windindustrie wird inzwischen bundesweit gezielt in WälderWälder Wir schützen Wälder! Wälder sind zumeist die naturnahesten Biotope und wertvolle, nicht ersetzbare Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Wald ist mehr als nur Holz. geplant.

Zwei Jahre „Osterpakete“: Keine Landschaft ist mehr sicher. Die Windkraftindustrie brüstet sich neuerdings schon öffentlich mit ihrem Eindringen in bisher geschützte Bereiche, selbst in die FFH-Gebiete, wie ein Auftritt der ZEAG auf der Homepage der Stadt Schwaigern in Baden-Württemberg beweist. Hatte nicht der SRU – schon vor zwei Jahren völlig wirklichkeitsfremd – auf das die schweren Eingriffe der Windkraftindustrie angeblich ausgleichende Kapital des Natura-2000-Systems abgehoben?

Der Glaube an die Weltrettung durch die EE ist dreizehn Jahre nach Fukushima und der durch die damalige Klimakanzlerin ausgerufenen Beschleunigung der Energiewende und nach pausenlos begleitender medial einseitiger Bearbeitung fest in die Hirne vieler Menschen gepflanzt. (Nicht) ganz nebenbei ist die Ausgrenzung der Kritik an den Auswüchsen der Energiewende in dieser Zeit annähernd vollständig gelungen, und erst neuerdings kommen Zweifel auf, wenn nun – man glaubt es kaum – aus höchsten GRÜNEN-Kreisen von „Kraftwerkstrategie“ und der Notwendigkeit von Backup zu hören ist.

Das wirkliche Ausmaß der Zerstörung letzter intakter Natur- und Kulturlandschaften aber wird weiter marginalisiert und ist in den Bereich des Feuilletons verbannt. Der Klima-Alarm bestimmt die Schlagzeilen, klassischer Naturschutz hingegen ist in Deutschland kaum mehr Randnotiz, oder er verkommt zu schönfärbenden Hochglanz-Produkten der notorisch einseitig berichtenden Elite-Medien, wie ich das bereits 2021 in meiner Metastudie für die Naturschutzinitiative e.V. kritisierte.

Der Energiewende-Altar ist reich an Opfern geschmückt: Wildkatze, Schwarzstorch oder großer Abendsegler, die Idee des Land und Kontinent überspannenden Biotopverbundes und der ungestört zu haltenden Wildkorridore, das für die Natur großartige Erbe des kalten Krieges, genannt „Grünes Band“, der Individuenschutz als Grundlage der Pfade der Spezies-Evolution in die Zukunft, die – vorher schon prekär geschützten –  Landschaftsschutzgebiete, Naturparke, Naturdenkmale, ja selbst die Bau-Denkmale unserer Kultur, die harmonisch in die Landschaften geschichtlich eingebunden waren. An keiner Stelle dieser Opferung für sogenannte Erneuerbare Energien ist noch ein wirksames Tabu errichtet. Dazu haben maßgeblich auch ehemalige Naturschutzverbände wie BUND, NABU, Greenpeace, WWF und andere beigetragen, die sich hinter die Beschleunigung mit Forderungen wie Entfesselung des Ausbaus der EE gestellt haben, und diese weiterhin unterstützen. Genannt werden müssen in diesem Zusammenhang die „Fridays- und Parents-for Future“-Bewegung, in Worten und Taten Vorfeld-Pressure-Groups der Erneuerbaren-Branche. Dass in jenen Aktivisten-Kreisen für den Naturschutz so gut wie kein Platz ist – ja gegen diesen im Falle des Ausbaus speziell der Windkraft gehetzt wird, belegt den verbreiteten Natur-Analphabetismus, der den pseudogrünen Zeitgeist prägt.

Die Tatsachen der Naturzerstörung durch EE sind es, die zählen. Deutschlands Landschaften erkennt man schon heute zunehmend nur noch in Resten. Der finale Akt steht aber noch bevor. Unser Land wird Beispiel sein und in die Geschichte eingehen: Dass es möglich war, trotz erkannter Priorität der Biodiversitätskrise genau die Grundlage allen Lebens, die Artenvielfalt, gezielt und sehr wohl wider besseres Wissen vermutlich unumkehrbar und endgültig zu schädigen.  Dass dabei Schönheit und Eigenart verabschiedet wurden, mögen am Ende auch jene erkennen, für die unser Land nur noch Kulisse des „Klimaschutzes“ ist.

Dass in diesen naturfernen Zeitgeist die Rücknahme oder Schleifung der mühsam erkämpften Standards des Umweltrechtes im weitesten Sinne, auch im Bereich der Intensivlandwirtschaft und selbst im grundgesetzlich verbrieften beschützenden Umgang mit den Tieren fällt, dürfte kaum mehr überraschen. Wenn das Bundesverfassungsgericht in seinem berüchtigten Klima-Urteil die Generationengerechtigkeit bemühte, darf die Frage nach dem, was der klimabewegten und auf Treibhausgase fixierten Jugend nach Vollendung der Agenda der Großen Transformation wirklich bleibt, verschärft gestellt werden. Geht am Ende das Kalkül der „Shifting Baselines“ derer auf, die behaupten, man gewöhne sich an alles – auch an ein im Namen der „Klimarettung“ flächendeckend bis in die letzten heute noch zur Erholung tauglichen Winkel industriell entwertetes Heimatland?

Wenn dieser Tage der letzte Akt der Beschleunigung, die Beschleunigung der Beschleunigung durch die Umsetzung der „Richtlinie der EU 2023/2413 im Bereich Windenergie an Land und Solarenergie“ vollbracht ist, wird es endgültig kein Halten mehr geben. Die letztlich historische Abschaffung des Naturschutzes aber wird zu Quittung und Mahnung für die jetzt Jungen, auf Klima Fixierten, denen die Transformation mit dem begleitenden Abbau der mühsam für den Bereich der Umwelt erkämpften Bürgerrechte noch nicht einmal schnell genug gehen.

Es wird so sein wie immer in der Geschichte. Niemand wird sagen können: „Das haben wir nicht gewusst“. Die Nachfahren werden die zu Vorfahren gewordenen eines Tages fragen: „Warum habt ihr das zugelassen?“

Dr. Wolfgang Epple ist Biologe, Buchautor und wissenschaftlicher Beirat der Naturschutzinitiative e.V. (NI).

Hinweis:

Die im Text 2022 angegebene Quelle zu Linnemann& Vallana (2018) wurde zwischenzeitlich bei VGB aus dem Internet genommen.

Die Arbeit der beiden Autoren ist unter neuer Adresse aufzurufen >>>

 



Ansprechpartner:

Dr. Wolfgang Epple
Biologe

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