Wie restauriert man historische Werkshallen und erhält die Habitatfunktion für siedlungsfolgende Tiere?
Die NaturschutzinitiativeÜber die Naturschutzinitiative e.V. (NI) Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger und bundesweit anerkannter Naturschutzverband. (NI) nahm mit ihrem Mitglied Ernst-Gerhard Borowski aus Betzdorf und dem Naturschutzreferenten der NI, Dipl.-Biologe Immo VollmerImmo Vollmer Dipl.-Biologe und seit 2018 Naturschutzreferent der NI , an einer Begehung zur Sanierung des Eisenbahnausbesserungswerkes Betzdorf teil. Wir möchten an dieser Stelle einige grundsätzliche Gedanken zur Sanierung nennen, die uns zu dem interessanten Bauprojekt gekommen sind.
Das Eisenbahnausbesserungswerk südlich des Betzdorfer Hauptbahnhofes entstand kurz nach 1861. Es weist ein gründerzeitliches Firmenambiente mit Backsteingiebeln und vielen Eisenkonstruktionen auf, weswegen es unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die nun schon lange stillgelegten Werkshallen erwarb die Stadt in 2020, um diese unter Bewahrung der Architektur einer neuen gewerblichen Nutzung zuzuführen und somit vor dem Verfall zu bewahren. Vorwiegend sind Flächen des Einzelhandels geplant.
Dass die Werksruinen inzwischen Habitat verschiedener Tierarten geworden sind, zeigte eine eingehende faunistische Analyse, die Bestandteil der Planungsunterlagen ist. So gibt es dort einige Fortpflanzungsquartiere von Zwerg- und Mückenfledermaus hinter Verkleidungen und tieferen Mauerrissen. Die Planung erhält entsprechend auch Hinweise, wie die unvermeidbaren Verluste an Niststätten für Vögel und Vermehrungsquartiere für Fledermäuse gemindert werden können.
Auch die NI sieht die derzeitige Umnutzung als einzig gangbaren Weg, solche alten Gebäude zu erhalten. Die Tierwelt muss dabei wohl zumindest für eine gewisse Zeit ausweichen.
Eine Artenschutzprüfung entwickelt dabei Vorgehensweisen, wie dem Artenschutzrecht genüge getan werden kann und gibt damit auch dem Bauherren Rechtssicherheit. Die Abarbeitung des notwendigen Ausgleichs nach Artenschutzrecht ist aber recht formell. Man versucht, den Eingriffsbereich konfliktfrei zu gestalten und möchte die Habitate außerhalb wieder neu schaffen.
Man stellt also außerhalb des Umgestaltungsbereiches Ersatzquartiere auf und erwartet, dass die Tiere diese „schön“ finden werden und annehmen. So wurden Vogelnistkästen in der Umgebung aufgehangen und für die Fledermäuse wurde ein sog. „Fledermausturm“ errichtet. In so einen knapp 1 Meter hohen und etwa 50 cm breiten Holzturm können sich Fortpflanzungskolonien ansiedeln, die auch über 1000 Tiere umfassen können. Erfahrungen aus anderen Regionen zeigen zumindest, dass solche Ersatzquartiere angenommen werden. Die alten Quartiere werden nach der Fortpflanzungszeit so verschlossen, dass Tiere zwar ausfliegen-, aber nicht mehr eindringen können. Im Fall der Werkshallen hängen jetzt vor den Rissen grüne Netze.
Wenn man vor den alten Hallen mit dem oft rissigen Gemäuer steht, kommt jedoch der Eindruck deutlich auf, dass das isoliert stehende Gebäude selbst in seiner Höhe, Ausdehnung und Struktur (grob 160 m lang, 60 m breit und ca. 15 m hoch) eine wesentliche Habitatqualität einnimmt. Die Tiere werden alleine davon angezogen. Auch können sich aufgrund der räumlichen Ausdehnung viele kleine Kolonien bilden. Dass ein Ersatzkasten diese Habitatqualität und das Nebeneinander verschiedener Arten voll ersetzen kann, ist schwer vorstellbar.
Es soll zwar ein Monitoring (Beobachtungsprogramm) mit Empfehlungen nachsteuern, wenn nicht alles so läuft wie geplant. Dennoch sollte man bei einer Sanierung auch über die Abarbeitung der für eine Genehmigung vorgeschriebenen Maßnahmen hinaus, die bestehende Habitatqualität im Auge haben. Zu wünschen wäre hier, dass in einer biologischen Begleitplanung Biologen und Bauverantwortliche zusammen prüfen, ob möglichst viele als Fortpflanzungsstätte für Vögel oder Fledermäuse geeignete Strukturen wie Hohlräume, Risse oder unterkriechbare Verkleidungen erhalten werden können. Nicht immer müssen die Fugen und Risse überall bis auf den letzten Zentimeter zugemauert werden. Der Vorteil einer Sanierung ist ja, dass kein Abriss erfolgt.
Ersatzweise oder in Ergänzung können viele der inzwischen für die Integration ins Gemäuer oder für den Aufsatz ans Gemäuer entwickelten Nisthilfen verwendet werden. Für Fledermäuse oder MauerseglerMauersegler Der Mauersegler verkörpert die absolute Spezialisierung auf das Fliegen und ist ein absoluter „Speed-Junkie“. Er gleitet am Tag ebenso wie nachts durch die Lüfte ... gibt es da schon ein großes Sortiment an Produkten (das größte Sortiment wartet dabei die Fa. Schwegler auf (s. z.B. https://www.schwegler-natur.de/fledermaus/).
Auch sind Hilfen für Arten sinnvoll, die bislang noch nicht vorgekommen sind, aber vorkommen könnten: Größere Gebäude können so von Turmfalke oder auch Wanderfalke besiedelt werden, wenn die passenden Kästen aufgehangen werden. Für den Wanderfalken müssen diese aber recht hoch hängen. Auch die sympathischen Dohlen freuen sich, wenn gleich mehrere passende Kästen angebracht werden, denn sie sind Koloniebrüter.
Nach Ansicht der NI sollte, wo es geht, nicht das Ausweichen der Natur aufs Umland, sondern die Integration in die zukünftige Nutzung Leitlinie sein – also quasi die „Inklusion“ mit der siedlungsfolgenden Natur. Natürlich darf im Fall des denkmalgeschützten Eisenbahnausbesserungswerkes der Gebäudecharakter nicht verfremdet werden. Auch macht es wenig Sinn, im Frontbereich eines geschäftigen und lang beleuchteten Einkaufsmarktes Nisthilfen aufzustellen. Aber Möglichkeiten der „Inklusion“ von Tierlebensräumen und menschlicher Nutzung dürften sich in diesem sehr großen Komplex sicher noch einige ergeben.
Diese Gedanken sind natürlich auch aufzugreifen, wenn im privaten Bereich Gebäudesanierungen anstehen.
Immo Vollmer (Dipl.-Biologe)
Naturschutzreferent der NI