10.07.2024 - Pressemitteilung

Lost place und Natur aus zweiter Hand – Heinrichshütte in Pracht

Bruchwald auf dem ehemaligen Gelände der Heinrichshütte in Pracht

Auf dem ehemaligen Gelände der Heinrichshütte in Pracht ist heute nicht mehr zu erkennen, dass hier einmal kaum ein Strauch stand, sondern Fabrikgebäude und offene Halden das Bild bestimmten. Die historische Entwicklung erläuterte Christiane Hassel, Eigentümerin und engagiertes Mitglied der NaturschutzinitiativeÜber die Naturschutzinitiative e.V. (NI) Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger und bundesweit anerkannter Naturschutzverband. (NI) den fast 40 interessierten Bürgern, unter ihnen auch Prachts neuer Bürgermeister Matthias Ebach.

Anfänge im 15. Jahrhundert

Vormals gab es hier einen Verhüttungsbetrieb für Eisenerz, wo das Material aus den umgebenden Bergbaubetrieben verarbeitet wurde. Die Anfänge des Verhüttungsbetriebes sind bis ins 15. Jh. Zurück verfolgbar. Zuerst war die Erzgewinnung ein Privileg des Adels, bis später vermögende Industrielle die Produktion bis ins Jahr 1927 übernahmen. Danach wurde die Verhüttung aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Wie Frau Hassel erläuterte, übernahm dann ihr Großvater das Gelände, um einen Baustoffhandel zu gründen. Denn einen großen Teil der Schlacken konnte damals schon wieder unter anderem zum Wegebau verkauft werden. Von den vielen Gebäuden und Anlagen aus der Verhüttungszeit ist kaum mehr etwas vorhanden. Stattdessen übernahm zunehmend die Natur das Regime.

Vielfältige Natur auf ehemaliger kahler Fläche

Diplom-Biologe Immo VollmerImmo Vollmer Dipl.-Biologe und seit 2018 Naturschutzreferent der NI , Naturschutzreferent der NI, erläuterte auf der mit den Geschwistern Christiane und Günter Hassel geleiteten Exkursion die naturkundlichen Aspekte.

Von sehr blütenreichen nur schütter bewachsenen Flächen, wo auch viele Flechten den Boden bedecken, ist eine Vegetationsentwicklung über Staudenfluren hin zu WälderWälder Wir schützen Wälder! Wälder sind zumeist die naturnahesten Biotope und wertvolle, nicht ersetzbare Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Wald ist mehr als nur Holz.n zu beobachten. Besonders interessant sind auch Still- und Fließgewässer, die ebenfalls sehr unterschiedlich ausgebildet sind. Wo der älteste Hüttenweiher nun schon Bruchwald trägt, dominiert auf einem mittleren Gewässer die Gelbe Teichrose, während die unteren Teiche noch relativ strukturarm waren. Vom Bach und Teich lebende Libellen, Vögel wie Gebirgsstelze und Wasseramsel leben hier genauso wie die Zauneidechse, die offen-trockene Bereiche besiedelt. Auch der WaldlaubsängerWaldlaubsänger Der wegen seines Gesanges auch „Waldschwirrvogel“ genannte Waldlaubsänger taucht zum Höhepunkt des Austriebs der Buchen bei uns auf. ist in diesem Wald zuhause. Bei kleineren Haufen von Holzstücken, Steinen oder Gras wurde schnell klar, dass dieses angelegte Habitatstrukturen sind, wo sich z.B. Reptilien verstecken können oder die Ringelnatter im Grashaufen ihre Eier ablegen kann.

Renaturierungsprojekte sichern die Biodiversität

„Die Geschwister Hassel leisten auf ihrem ca. 10 ha großen Gelände einen wichtigen und zukunftsgerichteten Beitrag zum Erhalt der Biodiversität“, betonte Biologe Immo Vollmer. Denn für den Erhalt der Artenvielfalt brauche es eine möglichst große Kulisse naturnaher Flächen. „Die gehen aber aufgrund des fast ungebremsten Flächenverbrauchs im rasenden Tempo zurück. Die sehr flächenintensiven Vorhaben zur Gewinnung alternativer Energien verschärfen das Problem, da vormals naturnahe LandschaftenLandschaften Wir schützen Landschaften! Landschaft ist eine wichtige Grundlage für Biodiversität. technisch verfremdet und LebensräumeLebensräume Wir schützen Lebensräume! Bedrohte Vielfalt schützen und erhalten! entwertet werden“, so Immo Vollmer.

Umso mehr Hoffnung gebe es, wenn sich aus Flächen, die einmal völlig naturfern waren, wieder eine vielseitige Natur entwickeln könne. Dies könne allerdings nicht bedeuten, dass  der Verlust an Natur ausgleichbar sei, so der Biologe. „In verloren gehenden seltenen Biotopen auf besonderen Standorten leben zudem Tiere und PflanzenPflanzen Pflanzen sind ein wichtiger Teil der Biodiversität. Sie ist unsere Lebensgrundlage, aber mehr als nur Artenvielfalt. Ohne Pflanzen wäre ein Leben für uns Menschen auf der Erde nicht möglich., die oft nur selten ein anderes Habitat finden und damit meist verschwinden“, so Immo Vollmer.

Wiederherstellung von Natur

Auch die EU habe erkannt, dass der Erhalt der Biodiversität auf die Wiederherstellung von Natur angewiesen sei. Aus dieser Erkenntnis heraus sei das „EU Restoration Law“ vor kurzem beschlossen worden, wonach 20% der Fläche eines Landes zu renaturieren sei. „Ohne solche positiven Beispiele aus privater Initiative wie hier, werden die Erfolge aber ‚überschaubar‘ bleiben“, so Immo Vollmer.

Gabriele NeumannGabriele Neumann Stv. Vorsitzende der Naturschutzinitiative e.V. (NI), Projektleiterin Wildkatze und Karnivoren , stv. Vorsitzende der NI, bedankte sich für das vorbildliche Engagement der Geschwister Hassel im Natur- und Biodiversitätsschutz, den zahlreichen Teilnehmern und Bürgermeister Matthias Ebach für ihre Teilnahme an der dreistündigen Exkursion und Immo Vollmer für die lehrreichen Ausführungen. Mit einem kleinen Imbiss, Getränken und guten Gesprächen klang die außergewöhnliche Veranstaltung der Naturschutzinitiative (NI) an diesem „Lost Place“ aus.

Das besuchte ehemalige Hüttengelände ist Privateigentum. Die Geschwister Hassel weisen darauf hin, dass der Zutritt nur mit Zustimmung der Eigentümer zulässig ist.

 

 



Ansprechpartner:

Immo Vollmer Dipl.-Biologe
Referent für Natur- und Artenschutz, Fachplanungen

mehr über Immo Vollmer
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