02.05.2024 - Neuigkeiten

Offener Brief an Frau Ministerin Thekla Walker zum ehrenamtlichen Engagement beim Rotmilan

Rotmilan (Milvus milvus) – Bild: Ingo Kühl

Sehr geehrte Frau Ministerin Walker,

am 24.04.2024 nahm Dagmar Hirt von der Regionalgruppe Hegau-Bodensee der NaturschutzinitiativeÜber die Naturschutzinitiative e.V. (NI) Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger und bundesweit anerkannter Naturschutzverband. e.V. (NI) an der Fachtagung „Biotopverbund“ in Albstadt teil, zu der Sie das Grußwort sprachen. Sie freute sich darüber, dass Ihnen das Thema Biodiversität und die Weiterbildung von Profis und Ehrenamt am Herzen liegen. Ganz besonders freute sie sich über die Wertschätzung, die den ehrenamtlich Aktiven entgegengebracht wurde. Mit Begeisterung nimmt sie mehrfach pro Monat an den Weiterbildungen der Umweltakademie teil, wovon sie jedes Mal sehr viel mitnimmt.

Als Physikerin ist sie es von Hause aus gewohnt, wissenschaftlich zu arbeiten und auch im langjährig ausgeübten Ehrenamt für den Natur- und Artenschutz achtet sie sehr darauf, verlässliche Daten zu liefern. Hierfür geht sie stets so oft ins Gelände, bis sie sicher ist, dass sie valide Daten erhebt und weitergibt.

Im unten genannten Artikel der Schwäbischen Zeitung vom 04.04.2024 wird dem Ehrenamt genau dies jedoch zum Vorwurf gemacht: Die vom Ehrenamt erbrachten Daten seien häufig so sorgfältig und mit soviel Zeitaufwand erhoben, dass sie mit den professionellen Gutachten, wie sie beispielsweise von der LUBW beauftragt wurden, nicht gut verglichen werden können, da diese kostenpflichtig sind und deshalb in der Regel mit begrenztem und deutlich weniger Zeitaufwand erstellt werden müssen. Dies kann dazu führen, dass durch den geringeren Zeitaufwand bei der Erfassung sowohl die registrierten Bestandszahlen kleiner ausfallen als auch die Ungenauigkeit der erfassten Daten größer ist. Diese methodischen Unterschiede bei der Erfassung führten dazu, dass die Behörden weder die vorliegenden Gutachten zu RotmilanRotmilan Der Rotmilan ist der heimliche Wappenvogel Deutschlands, da hier mehr als die Hälfte des Gesamtbestandes vorkommen. Er ist nur in Europa zu finden, weshalb wir für den Erhalt dieser Art eine herausragende Verantwortung haben.-Dichtezentren bei Kettenacker noch die wissenschaftliche Arbeit von Frau Dr. Gschweng zum Weltdichtezentrum des Rotmilans auf der Schwäbischen Alb, die beide unter Mitwirkung von ehrenamtlichen Mitarbeitern entstanden, bei der Erstellung der Teilregionalplanung „Windenergie Bodensee-Oberschwaben“ berücksichtigten. Im Gegenteil, diese Unterlagen wurden bei der Planung wegen Nicht-Vergleichbarkeit sogar ausgeschlossen, obwohl sie die genauere Information über das Plangebiet enthielten!

Damit wird jedoch die Sinnhaftigkeit ehrenamtlicher Tätigkeit fundamental in Abrede gestellt und konterkariert. Ehrenamtlich Aktive wie Dagmar Hirt müssen sich fragen, wozu sie sich weiterhin engagieren sollen, wenn ihre Ergebnisse nicht in die Entscheidungsprozesse eingehen.

In der Folge wird das „Weltdichtezentrum Schwäbische Alb“ des Rotmilans in der Teilregionalplanung Windenergie wider besseres Wissen mit Vorranggebieten überplant, was bei deren Realisierung zu einer rücksichtslosen Schädigung der Rotmilanpopulation und des Weltdichtezentrums einerseits und der Biodiversität andererseits führen können.

Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) fordert, dass Standards für Gutachten sich nicht an Vorgaben für Kosten und damit verbundenem Zeitaufwand orientieren, sondern dass viel mehr wissenschaftliche Qualitätsstandards zu Grunde gelegt werden, wo es auf die Validität, Vollständigkeit und Verlässlichkeit der Daten ankommt. Die Planung von Maßnahmen, die so gravierende Beschleunigungen des Artensterbens zur Folge haben können, muss die im naturwissenschaftlichen Sinne bestmöglichen vorhandenen Daten zu Rate ziehen. Solche hochwertigen Daten sind mit hoher Priorität von den Behörden bei der Planung von Energieversorgung und Infrastruktur zu berücksichtigen, statt sie von vornherein auszuschließen und damit in Kauf zu nehmen, dass die geplanten Maßnahmen bei ihrer Umsetzung der Biodiversität nachhaltig schaden.

Außerdem fordert die Naturschutzinitiative e.V. (NI), dass nicht nur der Bereich um Kettenacker, sondern auch das „Weltdichtezentrum Schwäbische Alb“ des Rotmilans insgesamt von Windenergieanlagen freizuhalten sind, damit Baden-Württemberg seiner besonderen Verantwortung für die Erhaltung des Weltbestands des Rotmilans gerecht wird.

Mit freundlichen Grüßen

Harry NeumannHarry Neumann Vorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI) , Landesvorsitzender

und

Dagmar Hirt, Sprecherin der Regionalgruppe Hegau / Bodensee

Referenzen:

Schwäbische Zeitung vom 04.04.2024 „Rotoren im Reich des Rotmilans“ >>>

Marion Gschweng: „Die Bestände des Rotmilans (Milvus milvus) auf der Schwäbischen Alb und in angrenzenden Naturräumen in Baden-Württemberg“ aus „Berichte zum Vogelschutz 58/59 2022“ >>>

 



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