„Windparks sind das geringere Übel“ – Kritik am NABU Hessen

Hessen/ In einem Beitrag der Waldeckischen Landeszeitung vom 30.11.2024 wird der Landesvorsitzende des NABU Hessen, Maik Sommerhage, gemeinsam mit Achim Frese vom Fürstlichen Forstamt und Ekkehard Darge als wpd-Projektmanager interviewt. Der Beitrag trägt die Überschrift:
„Überraschende Windkraft-Allianz: Windmüller und Naturschützer in Bad Arolsen einig: Windparks sind das geringere Übel.“
Artikel lesenHierzu äußert sich Dr. Jörg Brauneis, Länder- und Fachbeirat der Naturschutzinitiativ e.V. (NI) in Hessen:
„NABU lässt die Vögel rücksichtslos im Stich“
Windkraftanlagen zerstören die Wälder und töten unzählige Tiere!
Der Bau von Windkraftanlagen in den Hochlagen der Mittelgebirge führt zur Industrialisierung bisher intakter Waldlandschaften. Die Rodungen für die Maststandorte verwandeln den Wald in einen Flickenteppich. Der Waldboden wird durch tausende Tonnen Beton für die Fundamente unwiederbringlich zerstört. Breite Betriebsstraßen fressen sich durch die Landschaft und zerschneiden den restlichen Wald. Betriebsstoffe stellen eine ständige Gefahr für Boden und Wasser dar.
Vogelverluste an Windenergieanlagen – Zerstörung des Waldes
Neben der Zerstörung des Waldes und des Landschaftsbildes werden an Windkraftanlagen unvermeidlich unzählige Großinsekten, Fledermäuse und Vögel getötet – und dies solange sich die Anlagen drehen. Bundesweit wurden bis heute schon 751 an Windkraftanlagen getötete RotmilanRotmilan Der Rotmilan ist der heimliche Wappenvogel Deutschlands, da hier mehr als die Hälfte des Gesamtbestandes vorkommen. Er ist nur in Europa zu finden, weshalb wir für den Erhalt dieser Art eine herausragende Verantwortung haben.e in der Zentralen Funddatei für Vogelverluste an Windenergieanlagen bei der Vogelschutzwarte Brandenburg erfasst. Hinzu kommen tausende Vögel anderer Arten vom Seeadler bis zum Mauersegler
Mauersegler Der Mauersegler verkörpert die absolute Spezialisierung auf das Fliegen und ist ein absoluter „Speed-Junkie“. Er gleitet am Tag ebenso wie nachts durch die Lüfte .... Dabei wird vermutlich nur ein winziger Teil der von Windkraftanlagen getöteten Vögel auch tatsächlich erfasst, denn Füchse und Wildschweine lernen schnell, dass für sie unter den Windrädern der Tisch stets reich mit den Kadavern der getöteten Vögel gedeckt ist. Für den Rotmilan gehen Vogelschutzexperten davon aus, dass die Verluste an Windkraftanlagen schon jetzt die Reproduktionsfähigkeit der Vogelart überschreiten, die Population ist in Gefahr!
Möglich ist dies alles nur deshalb geworden, weil die Bundesregierung große Teile, der zum Schutz von Umwelt, Natur und Landschaft geschaffenen Gesetze für den Bau von Windkraftanlagen de facto außer Kraft gesetzt hat.
Bagatellisierung des NABU Hessen unverantwortlich
Völlig unbegreiflich aber ist, dass ein Natur- und Vogelschutzverband wie der NABU eine solche Waldzerstörung nunmehr gut zu heißen und das ständige Sterben von Lebewesen an diesen Anlagen zu bagatellisieren scheint. Was immer den NABU auch zu einer solchen Haltung bewegt, mir – als ehemaligem NABU – Mitglied – kommt dies so vor, als ließe der NABU seine Schutzbefohlenen, die Vögel, für vermeintlich höhere Ziele rücksichtslos im Stich. Auch in Sachen Energiewende scheint für den NABU ein altes, sehr deutsch klingendes Motto zu gelten: „Der Zweck heiligt die Mittel.“
Eine Energiewende aber, die nur gelingt, wenn die letzten geschlossenen WälderWälder Wir schützen Wälder! Wälder sind zumeist die naturnahesten Biotope und wertvolle, nicht ersetzbare Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Wald ist mehr als nur Holz. zerstört werden und die das dauerhafte Töten von Vögeln, Fledermäusen und Insekten billigend in Kauf nehmen muss, ist doch schon vom Ansatz her eigentlich falsch und kann ob dieses schlimmen Fehlers kein Erfolg werden.
Auch Prof. Dr. Martin Kraft, Ornithologe, Biodiversitätsforscher, Universität Marburg, Mitglied und Wissenschaftlicher Beirat der NI, äußert sich zu diesem Vorgang:
Windparks sind das größte Übel für die Biodiversität
„Windparks sind das geringere Übel“ lautet die Überschrift eines geradezu absurden Artikels am 30.11.2024 in der „Waldeckischen Landeszeitung“, der mich und viele weitere anerkannte Naturschützer entsetzt. Wie kann es sein, dass der Landesvorsitzende des Hessischen Naturschutzbundes (NABU) eine „überraschende Allianz“ mit Windkraftbetreibern gründet?! Ein grinsender Maik Sommerhage, den ich schon lange kenne und der mir viel in der Ornithologie zu verdanken hat. Bei Maik Sommerhage hat wohl eine vollkommene Mutation vom vehementen Windkraftgegner zu einem überzeugten Windkraftbefürworter stattgefunden.
Sicherlich waren die Windkraftbetreiber selbst überrascht von dieser neuen und ungewöhnlichen „Allianz“. Damit hat sich Maik Sommerhage ins naturschützerische Abseits geschoben und obendrein dem altehrwürdigen NABU eine ganz erhebliche Wunde zugefügt, denn es gibt viele NABU-Mitglieder, die diese „Überraschungs-Allianz“ klar verurteilen! Welche Gründe den Maik dazu bewogen haben, vermag ich nicht zu beurteilen, aber er hat sich nun eindeutig selbst geschadet.
Da ich mich schon lange mit den Auswirkungen von Windkraftanlagen auf brütende, rastende und durchziehende Vögel beschäftige, weiß ich, dass es keinen Grund gibt, riesige Windräder unter dem Deckmantel des „Klimaschutzes“ in allen möglichen Landschaftsbereichen zu installieren, und dann auch noch als das „geringere Übel“ zu signieren! Es gibt keinen einzigen Monat des Jahres ohne ziehende Vögel, die nach meiner Langzeitstudie den Löwenanteil der Kollisionen ausmachen. Davon sind mehr als 140 – auch hochgradig gefährdete – Vogelarten betroffen. Da sind auch die ohnehin viel zu kurzen Abschaltzeiten und Abstandsregelungen vollkommen nutzlos. Wenn ein Verband den Namen Naturschutzbund trägt, muss die klare Devise lauten: Windparks sind das größte Übel für Insekten, Fledermäuse und Vögel!
Weitere Kritik übt Prof. Dr. Herbert Zucchi vom Wissenschaftlichen Beirat der NI:
Es ist ja nichts Neues, dass sich BUND und NABU längst mit der Störung und Zerstörung von Natur und Landschaft durch Windenergieanlagen (WEA) und Solar“parks“ arrangiert haben. Das neueste Arrangement vom NABU Hessen toppt aber alles bisher Dagewesene und kommt einer Auslieferung unserer Wäldern an die Windenergieindustrie gleich, denn WEA stellen die in § 1 des Bundesnaturschutzgesetzes formulierten Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege geradezu auf den Kopf: Es wird empfindlich in die biologische Vielfalt (Großvögel, Fledermäuse, WildkatzeEuropäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) Die Europäische Wildkatze ist eine der seltensten einheimischen Säugetierarten und durch internationale Abkommen streng geschützt. etc.) eingegriffen, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes wird erheblich beeinträchtigt (Boden-, Wasser- und Temperaturhaushalt), Schönheit und Eigenart der Landschaft werden durch die gigantischen, den Horizont verschmutzenden Anlagen zunichte gemacht und die Erholungsfunktion von Wäldern wird deutlich verringert. Ich hätte mir vor ein paar Jahren nicht träumen lassen, dass ein traditioneller Naturschutzverband, der mich in jungen Jahren mitgeprägt hat, sich derart miserabel entwickeln wird. Diese Kritik trifft aber, das möchte ich einschränkend sagen, nicht auf jede NABU-Gruppe zu. Dennoch: Ich bin froh, dem NABU vor einigen Jahren den Rücken gekehrt zu haben.
Ansprechpartner:

Prof. Dr. habil. Herbert Zucchi
Dipl.-Biologe mit zoologisch-tierökologischem Schwerpunkt
Keine Windenergie im Wald!
Die aktualisierte Sonderveröffentlichung "Wissenschaftler fordern: Keine Windenergie im Wald! - Landschaften und Wälder schützen!" warnt vor einer weiteren Zerstörung der Wälder.
Biodiversität und Arten als unsere Lebensversicherung
„Der Mensch ist längst zum entscheidenden Evolutionsfaktor geworden“, so Prof. Dr. Matthias Glaubrecht in der Fachpublikation „Biodiversität und Arten als unsere Lebensversicherung“, die die NI anlässlich des Tages der Artenvielfalt veröffentlicht hat.
Die Biodiversitätskrise
Dr. Klaus Richarz, ehemaliger Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, analysiert in der neuen Sonderbroschüre fachlich fundiert die Biodiversitätskrise und gibt zahlreiche Anregungen und Beispiele für Gärten, Städte und Gemeinden - Was kann jeder einzelne von uns, was kann jede Stadt und jede Gemeinde zur Erhaltung unserer Lebensgrundlage selbst tun? Machen Sie sich gemeinsam mit uns auf den Weg zu „Mehr Biodiversität wagen“.
Headline
here be text