Entwurf zur Änderung des Bundesjagdgesetzes verstößt gegen EU-Recht!
Naturschutzinitiative (NI): Entwurf zur Änderung des Bundesjagdgesetzes verstößt mit angestrebter Wolfsvernichtung gegen EU-Recht!
„Der Referentenentwurf zur Änderung des Bundesjagdgesetzes ist ein historisches Dokument der Naturvergessenheit einer deutschen Bundesregierung – und dies in Zeiten der sich zuspitzenden Biodiversitätskrise. Dieser mit zahlreichen handwerklichen Mängeln und fachlichen Irrtümern versehene Entwurf missachtet den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand und die Arbeit der eigenen Behörde, der ‚Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBBW) zum Thema Wolf‘. Er ist weder mit dem nationalen noch mit dem EU-Recht vereinbar und sollte umgehend zurückgenommen werden“, erklärte Harry Neumann, Bundesvorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI).
Die vorgesehenen Regelungen zum Abschuss von Wölfen, in denen eine (zumindest) regionale Wieder-Ausrottung der Spezies mit vollem Wissen in Kauf genommen wird, seien letztlich summarisch die Umsetzung von Forderungen aus den Jagd- und Bauernverbänden. Die Wiederausrottung des Wolfs sei offensichtlich geplant, zumindest werde diese aber in Kauf genommen, so die Naturschutzinitiative e.V. (NI).
NI legt Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates und Biologen Dr. rer. nat. Wolfgang Epple vor
„Die Übernahme des Wolfs in das Jagdrecht ist unnötig. Die mit der Rückkehr des Wolfes einhergehenden Herausforderungen für die Weidtierhaltung sind mit geltendem Artenschutzrecht lösbar. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht durch den Wolf nicht. Die Übernahme ins Jagdrecht ist nur EU-Rechts-konform möglich. Insbesondere sind die Anforderungen für Ausnahmen vom Schutz nach Art. 16 der FFH-Richtlinie der EU anzuwenden. Denn auch nach Herabstufung steht der Wolf weiterhin unter Naturschutz“, so die NI.
Für Gebiete, in denen der Erhaltungszustand ungünstig ist, käme ohnehin selbst im Jagdrecht nur eine ganzjährige Schonzeit in Betracht. Nicht ohne Grund erinnert der EuGH in seiner Rechtsprechung zum Schutz des Wolfs wiederholt an Jagdverbote für diese Bereiche.
Mit dem Entwurf ist der Weidetierhaltung ebenso wenig gedient wie dem geltenden Recht entsprochen. Sollte es darum gehen, Tierleid zu vermeiden, muss endlich bundesweit der längst erprobte präventive Herdenschutz mit wolfsabweisenden Zäunen verwirklicht werden. Dort, wo dies nicht möglich ist, muss mit Herdenschutzhunden und Behirtung von Weidetieren das Auskommen mit dem Wolf gestaltet werden, so wie es in anderen Ländern seit Jahrhunderten erfolgreich gute Praxis der landwirtschaftlichen Weidetierhaltung ist,“ so Harry Neumann.
Der Entwurf zur Änderung des Bundesjagdgesetzes wird mit einer grundsätzlich unzutreffenden Angabe begründet. Er ignoriert die Bestandsentwicklung des Wolfs in Deutschland, denn entgegen der Darstellung im Referentenentwurf ist der Wolfsbestand in Deutschland in den letzten beiden dokumentierten Monitoring-Jahren nicht gewachsen. Außerdem wendet das Ministerium wissenschaftliche Erkenntnisse zur Ethoökologie des Wolfs entweder nicht an oder grundsätzlich nur zu Ungunsten des Wolfs.
Die Meldung eines günstigen Erhaltungszustands für den Wolf in Deutschland durch die derzeitige Bundesregierung nach Brüssel war und ist wie die Herabstufung des Schutzstatus‘ politisch motiviert und fachlich nicht haltbar. In großen Teilen der Republik (und übrigens Europas) ist der Wolf im ehemaligen Verbreitungsgebiet nicht oder nur sporadisch präsent. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Meldung des günstigen Erhaltungszustandes des Wolfs zur Vorbereitung der im Referentenentwurf vorgesehenen Verfolgung des Wolfs in Deutschland dienen sollte.
Die Zulassung von Nachtsichtgeräten für die Wolfsjagd (und für die Jagd auf andere Wildtiere) ist strikt abzulehnen, wie die Erfahrungen von Fehlschüssen (in der Schweiz bei der Wolfsjagd Fehlschüsse auf Luchse, bei der Wildschweinjagd in Deutschland Fehlschüsse auf Ponys) belegen. Jagd mit Nachtsichtgeräten ist unethisch und in Jägersprache übersetzt ‚unwaidmännisch‘.
Weitere Folgen der geplanten Vernichtung der Wölfe – weitere Mängel und schwerwiegende Folgen des Referentenentwurfs
- Die Einführung einer Jagdzeit vom 01. September bis zum 28. Februar ist im Sinne der Ziele und des behaupteten Ziels des Referentenentwurfes kontraproduktiv; der Druck auf insbesondere kleinere Weidetiere durch den Wolf könnte durch die geplante intensive Verfolgung sogar erhöht werden, wenn die für eine erfolgreiche Jagd der Wolfsfamilien auf Wildtiere notwendigen Sozialstrukturen der Wölfe zerschossen werden. Im September sind Jungwölfe eines betreffenden Jahres ca. 4 Monate alt und vom Jagderfolg der Adulten bzw. Elterntiere eines Rudels vollständig abhängig. Werden die Alten geschossen, verhungern die Welpen kläglich. Bleibt nur ein Elterntier, wird es sich wie ein Einzelwolf und unter dem Hungerdruck der Welpen vermehrt an kleine leicht zu erbeutende Weidtiere wie Schafe und Ziegen halten. Dies bedeutet Inkaufnahme von Tierleid auf Seiten der Wölfe wie auf Seiten der Weidetiere.
- Die vorgesehene Tötung ganzer Rudel, genauso wie die geplante teilweise anlasslose Verfolgung ohne Zuordnung zu schadstiftenden Wolfsindividuen, und Verfolgung sogar bei ungünstigem Erhaltungszustand, sind klare Verstöße gegen die EU-rechtlichen Vorgaben zum Schutz des Wolfes, der auch nach Überstellung des Wolfs in den Anhang V der FFH-RL weiter besteht.
Der Entwurf ist daher weder mit dem nationalen Arten- und Tierschutzrecht noch mit europäischem Recht vereinbar. Er missachtet in grober Weise die Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG, wonach der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung schützt. Mit „Tieren“ meint das Verfassungsrecht Tiere in menschlicher Obhut und genauso die Wildtiere wie den Wolf.
Forderungen der Naturschutzinitiative e.V. (NI)
Angesichts der umfangreichen Kollisionen mit den Vorgaben des Rechts der Europäischen Gemeinschaft, vor dem Hintergrund der Belange des Tierschutzes und in Achtung der Staatszielbestimmung der Verfassung im Artikel 20a GG, fordert die NI die Bundesregierung auf, den unausgewogenen und auch handwerklich schlechten Referentenentwurf zurückzuziehen.
Die NI fordert die Vorlage eines neuen Gesetzentwurfes, der dem weiterhin bestehenden Schutz des Wolfes nach europäischem Recht auch im Deutschen Jagdrecht genügt und entspricht. Mit Beteiligung des für Naturschutz zuständigen Bundesministeriums und unter Einbeziehung des vorhandenen Expertenwissens über in Deutschland erhobene Daten und Fakten muss ein EU-Rechts-konformes Gesetzeswerk für den Umgang mit dem Wolf in Deutschland entstehen, das auch ethischen Gesichtspunkten eines zeitgemäßen Naturschutzes gerecht wird und dem Staatsziel der Verfassung Rechnung trägt.
„Die Gesetzgebung einer Bundesregierung zum Jagdrecht darf nicht einem Dammbruch des Hasses gegen ein unliebsames Wildtier Vorschub leisten. Im Zuge der – in dieser Form abzulehnenden – Überstellung in das Jagdrecht muss für die Bundesländer, in denen der Wolf weiterhin äußerst selten ist, ohnehin ein nach Europäischem Recht und nach Rechtsprechung des EuGH notwendiges Jagdverbot oder ganzjährige Schonzeit gehören. Nur so kann dem Wolf das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes ermöglicht werden. Der weiterhin bestehende Schutz des Wolfes, auch eine ganzjährige Schonzeit und dezidierte Jagdverbote in den Ländern, hindern die Behörden nicht daran, rechtskonforme Ausnahmen vom Schutz für die letale Entnahme von Problemwölfen zu ermöglichen,“ so die NI abschließend.
Ansprechpartner:
Halali auf den Wolf in Deutschland?
Die an die Kommission der EU übermittelte Meldung eines „günstigen Erhaltungszustandes“ für den Wolf in der kontinentalen Region Deutschlands hält einer fachlichen Überprüfung nicht stand. - Anmerkungen, Einblicke und Ausblicke von Dr. Wolfgang Epple.
Absenkung des Schutzstatus des Wolfes durch die Berner Konvention – weitere Erosion des europäischen Artenschutzes
Von Dr. Wolfgang Epple / Was sich im Rahmen einer zunehmend unsachlich geführten Debatte schon seit September 2024 auf Betreiben der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen (CDU) ankündigte, ist mit dem 03. Dezember 2024 eingetreten: ...
Ein Platz für wilde Tiere?
In dieser Publikation stellt der Biologe, Ökologe und Wissenschaftliche Beirat der NI, Dr. rer. nat. Wolfgang Epple, den Wert der Wildnis und ihrer Bewohner in den Fokus. Mit seiner großen Fachkenntnis und Empathie für alles was lebt, erinnert er uns an unsere ethische Verantwortung, die all unserem Tun zu Grunde liegen sollte.
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