Halali auf den Wolf in Deutschland?

Halali auf den Wolf in Deutschland?
Anmerkungen, Einblicke und Ausblicke zur Meldung eines „günstigen Erhaltungszustandes“ des Wolfes in DeutschlandVon Dr. Wolfgang Epple
Zusammenfassung
Die an die Kommission der EU übermittelte Meldung eines „günstigen Erhaltungszustandes“ für den Wolf in der kontinentalen Region Deutschlands hält einer fachlichen Überprüfung nicht stand. Sollten auf dieser fachlich unhaltbaren Meldung des vorgeblich „günstigen Erhaltungszustandes“ aufbauend, rechtliche und behördliche Maßnahmen ergriffen werden, dürften diese im Falle einer pauschalen Bejagung des Wolfes den Vorgaben der FFH-RL der EU und damit der ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht genügen.
Der Wolf bleibt auch nach der Überstellung aus Anhang IV in den Anhang V der FFH-RL geschützt. Er ist weiterhin im Anhang II der Richtlinie gelistet. Daraus folgen Schutzvorschriften aus den Artikeln 11 (Überwachung, Monitoring), 14 (Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes) und 17 (Berichtspflicht) der FFH-RL. Der Anhang II verpflichtet Mitgliedsstaaten zu Habitatschutzmaßnahmen für den Wolf, die in Deutschland nicht angemessen umgesetzt sind.
Eine defizitäre und einseitige Kommunikation rund um den Wolf, beginnend längst vor der Herabstufung des Schutzes, führt zu lärmend vorgetragenen Forderungen nach genereller Bejagung, nach Entnahme ganzer Rudel und „wolfsfreien Zonen“. Diese Forderungen kommen vorwiegend aus Kreisen der Jagd und Landwirtschaft. Werden diese EU-rechtlich nicht umsetzbaren Forderungen von hochrangigen Politikern unterstützt, kommt dies politischen Angriffen auf das geltende Recht und auf Ziele der Verfassung gleich. Scharfe oder verkürzte Formulierungen wie „Söder gibt Wölfe zum Abschuss frei“ können in aufgeheizten Kreisen als Ermunterung zur Wildtierkriminalität aufgefasst werden. Nicht faktenbasiertes Wildtier-Management, das in vielfaches Töten ohne Erfolgskontrolle mündet, steht grundsätzlich den Staatszielen der Verfassung entgegen.
Naturschutzerfolg wird zur parteiübergreifenden Front gegen den Wolf
Wenn es um den Schutz des Wolfes und den Natur- und Artenschutz geht, scheint es in Deutschland keine Brandmauer zu geben. Seit Jahren nimmt man Politiker der AfD und besonders laute Einpeitscher gerade – aber nicht nur – im Falle des Schutzes des Wolfes aus der CDU/CSU wahr.
Die Rückkehr des Wolfes in Teile seiner angestammten Gebiete ist jedoch zunächst kein politisches, sondern ein naturschutzfachliches Thema. Sie ist eine Erfolgsgeschichte des europäischen Naturschutzes. Besonders in Regionen, in denen man nach mehr als hundertjähriger Abwesenheit nicht mehr an den Umgang mit dem Wolf gewöhnt war, scheint man Erfahrungen der Ko-Existenz mit dem großen Caniden aus Ländern, wo er nie gefehlt hat, schwer zur Kenntnis nehmen zu können oder nicht zu wollen.
Jahrelange Agitation und besonders der Druck aus Deutschland hat zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes gegen die Erkenntnisse der wildtierbiologischen Wissenschaft geführt, zunächst im Jahr 2024 auf Höhe der Berner Konvention (hierzu mit weiterführenden Links (1)), und 2025 im Regime der FFH-Richtlinie der EU (2). Die Herabstufung ist rein politisch motiviert. Konkret verlor der Wolf europaweit seinen Status als „besonders streng geschützt“ (Anhang IV FFH-RL) und wird nun unter Anhang V als „geschützt“ eingestuft. Eine entscheidende Rolle für die Konsequenzen dieser Herabstufung spielt die Frage des „Erhaltungszustandes“ im jeweiligen Land.
Fachlich nicht haltbar: „Günstiger Erhaltungszustand“ für die atlantische und kontinentale Region an die EU-Kommission übermittelt
Die Schwarz-Rote Koalition setzt wie im Koalitionsvertrag angekündigt Zeichen (3). Nach der bereits für die atlantische Region erfolgten Meldung eines „günstigen Erhaltungszustandes“ hat man im Oktober 2025 für ganz Deutschland mit Ausnahme der ganz im Süden der Republik gelegenen „alpinen Region“ entgegen gründlich ermittelter Fakten für die kontinentale Region Deutschlands einen „günstigen Erhaltungszustand“ des Wolfes nach Brüssel gemeldet (4). Diese Einstufung ist fachlich nicht haltbar. Sie wird, falls daraus über Einzelentnahmen von problematischen Wölfen hinausgehende konkrete Maßnahmen hergeleitet werden sollten, einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof nicht standhalten. Verbreitung und Bestand erlauben keine Einstufung eines „günstigen Erhaltungszustandes“ für ganz Deutschland. Die von Bundesamt für Naturschutz und der Dokumentationsstelle des Bundes veröffentlichten Daten (5) zum Wolfsvorkommen widerlegen die Minister-Meldung nach Brüssel (siehe Abbildung).

Abbildung (Screenshot am 14.10.2025): Karte zum Wolfsvorkommen in Deutschland im Monitoringjahr 2023/2024 (siehe Quelle (5))

Regionen Deutschlands (diese Karte ist verlinkt in der PM des BMUKN (4) und damit öffentlich zugänglich).
Insbesondere mit Blick auf den südlichen und südwestlichen Teil der kontinentalen Region Deutschlands kann von einem insgesamt „günstigen Erhaltungszustand“ der Population des Wolfes keine Rede sein – auch nicht in der nun gemeldeten kontinentalen Region. In großen Bereichen fehlt der Wolf weiterhin ganz oder es ist nur von Einzelwölfen auszugehen. Im Einzelnen gilt dies für den kontinentalen Teil von NRW, für die Bundesländer Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen, für den südlichen Teil Niedersachsens, für den westlichen Teil Sachsens, für Baden-Württemberg und Bayern. Die Rasterzellen mit nachgewiesener Wolfs-Reproduktion sprechen für das Monitoringjahr 2023/2024 eine eindeutige Sprache. Betrachtet man die Wolfsverbreitung für ganz Deutschland, so ist der Wolf in weit mehr als der Hälfte der Fläche kaum präsent, und in einem noch größeren Teil der Fläche Deutschlands gibt es keine Reproduktion (s. Abb.).[1]
[1] Zitate und die Benutzung von Abbildungen/Screenshots aus anderen bereits veröffentlichten Werken/Fundstellen erfolgen unter Einhaltung des Zitatrechts nach dem § 51 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Vgl. hierzu: https://www.orca.nrw/wp-content/uploads/2024/08/RiDHnrw_26-11-20_Das-Zitatrecht-nach-P-51-UrhG_cc.pdf
Der Wolf bleibt entgegen allem politischen Druck geschützt
Worum es der Wolfsgegnerschaft in Wirklichkeit geht, wird kaum verklausuliert; herausgegriffen sei der DJV: „Regional angepasstes Wolfsmanagement“, „eine regional differenzierte Regulierung“, im Klartext: „zügige Entnahme auffälliger Wölfe oder ganzer Rudel“ (6). Politiker der SPD und von Bündnis 90/die GRÜNEN sind seit Jahren – von Jagd- und Bauernverbänden getrieben – an der Aushöhlung des Wolf-Schutzes beteiligt. Stellvertretend die Formulierung eines GRÜNEN-Ministers aus Niedersachen zur Herabstufung des Wolfes in der FFH-RL; wörtlich in der PM vom 16.05.2025 (7):
„Dazu sagt Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer: „Endlich. Wir in Niedersachsen haben lange gefordert, dass sich angesichts steigender Wolfsbestände auch der Schutzstatus an die Realität anpassen muss. (…)Ich bin sehr froh, dass sich jetzt etwas tut. Darauf habe ich persönlich lange und intensiv beim Bund und auch bei der EU hingearbeitet. Und ich bin auch Ministerpräsident Stephan Weil (Anm. WE: SPD) dankbar, dass er sich ebenfalls für die Herabstufung eingesetzt und sich direkt an EU-Kommissarin von der Leyen gewandt hat. Ohne ständigen Druck und ständiges Nachbohren aus Niedersachsen hätte die EU-Kommission wohl nicht endlich einen Vorschlag gemacht, die Einstufung des Wolfes an die Realität anzupassen.“ Herausragende Populisten unter den an der Stimmungsmache beteiligten Politikern wie Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger (FW) fordern wolfsfreie Zonen, Cem Özdemir (Bündnis 90/GRÜNE) empfahl als Agrarminister der Ampel gar die Entnahme ganzer Rudel (8).
Solche Vorstellungen im Umgang mit dem Wolf sind nur durch Vernichtung lokaler und regionaler Bestände zu verwirklichen. Dies ist nach geltendem europäischen Recht nicht jetzt und nach der Herabstufung auch in Zukunft nicht möglich.
In Kreisen der Wolfsgegner glaubt man sich mit der politisch motivierten Meldung des „günstigen Erhaltungszustandes“ und der quer durch alle Parteien unterstützten populistischen Anti-Wolf-Politik am Ziel. Jedoch: Selbst nach der nun angestrebten Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht und selbst unter der Voraussetzung eines fachlich kontrollierten und bestätigten „günstigen Erhaltungszustandes“ bleibt der Wolf nach der FFH-RL geschützt:
Der Schutzstatus nach der Herabstufung…
Die von Jagd- und Bauernverbänden geforderte Übernahme des Wolfes in das Deutsche Jagdrecht mit dem Ziel der „Regulierung“ würde auch nach der Herabstufung durch klare Schutz-Vorgaben des höherrangigen Europäischen Rechts flankiert. In weiten Teilen der
LandwirtschaftLandwirtschaft Böden als Kohlenstoffspeicher / Ökologischen Landbau weiter ausbauen und Jagd herrschen vermutlich falsche Vorstellungen und überhöhte Erwartungen, was nach der Herabstufung des weiterhin für regionale Ausrottung verletzlichen Wolfs möglich ist.
Denn dies ist der fachlich, rechtlich und naturethisch entscheidende Punkt: Der Wolf ist im Gegensatz zu anderen jagdlich verfolgten Arten hinsichtlich regionaler Ausrottung verletzlich. Dies belegt die geschichtlich erfolgreiche Ausrottung in weiten Teilen seines europäischen Verbreitungsgebietes, in die er übrigens nach wie vor nicht zurückgekehrt ist. Gerade nach der Herabstufung des Schutzstatus bestehen daher verschärfte Vorsorge-Anforderungen an seinen Schutz, die sich auch aus den allgemeinen Anforderungen an das Vorsorge-Prinzip der Umweltpolitik der EU auszurichten haben (Art. 191 Abs. 2 AEUV, siehe (9)).
…beinhaltet hohe Anforderungen an einen faktenbasierten Umgang mit einer Art im Interessenkonflikt
Auch wenn der Status „besonders strenger Schutz“ in der neuen Rechtslage auf EU-Ebene durch „geschützt“ ersetzt ist, greifen konkret weiterhin einschlägige Artikel der FFH-Richtlinie (10) zum Schutz des Wolfes, um ihn gerade vor einer regionalen Ausrottung zu bewahren:
- Artikel 11 FFH-RL: Aus dem Artikel 11 folgt die weiterhin bestehende Pflicht zur Überwachung des Erhaltungszustandes. Gerade dann, wenn von Bauern und Jägern auf Entnahme „Regulierung“ und „Management“, „erleichterte Entnahme bis hin zu ganzen Rudeln“ gedrängt wird, folgt eine verstärkte Pflicht für das Monitoring der Bestände, das bisher in Deutschland für den Wolf in wissenschaftlich integrer Weise erfolgt ist (5).
- Artikel 14 FFH-RL – verknüpft mit Artikel 11 – fordert: „ (1) Die Mitgliedstaaten treffen, sofern sie es aufgrund der Überwachung gemäß Artikel 11 für erforderlich halten, die notwendigen Maßnahmen, damit die Entnahme aus der Natur von Exemplaren der wild lebenden Tier- und Pflanzenarten des Anhangs V sowie deren Nutzung mit der Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustands vereinbar sind. (2) Werden derartige Maßnahmen für erforderlich gehalten, so müssen sie die Fortsetzung der Überwachung gemäß Artikel 11 beinhalten.“
- Artikel 17: Berichtspflicht über die Anwendung der Richtlinie. Der EuGH schreibt dazu im aktuellen Urteil zum Wolf in Spanien (s.u. (11), RN 64): „Dieser Bericht muss die wichtigsten Ergebnisse der in Art. 11 dieser Richtlinie genannten Überwachung enthalten. Er muss außerdem drei Teile umfassen, und zwar einen Teil mit allgemeinen Informationen über die Umsetzung dieser Richtlinie, einen Teil über die Bewertung des Erhaltungszustands der verschiedenen Arten und einen Teil, der den Lebensräumen gewidmet ist.“
Der EuGH hat im Urteil zum Wolf in Spanien vom 29.07.2024 somit u.v.a. einen entscheidenden Hinweis auf den Habitatschutz gegeben, und darüber hinaus in seiner Entscheidung einen ebenso klaren Hinweis zur Anwendung des Vorsorgeprinzips nach Art. 191 Abs.2 AEUV nicht nur bei der Handhabung des Art.12 der FFH-RL gegeben (siehe (11); dort RN 78).
Wolf bleibt in Anhang II der FFH-RL gelistet – Habitatschutz erforderlich
Der Wolf bleibt in Anhang II der FFH-RL geführt. Der im Urteil des EuGH geforderte Teil der Berichtspflicht nach Art. 17 FFH, der den Lebensräumen gewidmet ist, greift daher nach wie vor vollumfänglich für den Wolf. Für ihn gilt wie für andere Arten des Anhangs II die Pflicht zur Ausweisung von besonderen Schutzgebieten. Für den Wolf gibt es in Deutschland hinsichtlich Habitatschutz ein erkennbar deutliches Defizit.
Defizitäre Kommunikation über den Wolf …
Völlig unterschätzt werden die Folgen der teilweise fahrlässigen Kommunikation rund um den Wolf speziell in den deutschen Medien. Beginnend bereits vor der geänderten Rechtslage für den Wolf kamen und kommen insbesondere aus dem Freistaat Bayern (wohlgemerkt mit dort erkennbar sehr geringem Wolfsbestand) wiederholt Äußerungen von höchster politischer Stelle, die zur rein politisch motivierten Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes beigetragen haben dürften. Die Münchener Abendzeitung titelte am 26. April 2023 eine Äußerung des Ministerpräsidenten: „Söder gibt Wölfe zum Abschuss frei: „Der Wolf gehört hier nicht her““ und zitierte diese auch im Text (12). Die Äußerung verdient, auf Treue zur Verfassung des Freistaates Bayern (Art. 141 (1) die Sätze 1, 2 und 4; siehe Quelle (13)), und zum Art. 20 a GG hinterfragt zu werden.
Wenig überrascht, dass sich anlässlich der nicht erfolgten Hereinnahme der alpinen Region in der Meldung des „günstigen Erhaltungszustandes“ zum wiederholten Mal politische Agitations-Kräfte aus Bayerns Staatsregierung zu Wort melden. Der Nachrichtensender „ntv“ meldet am 13.10.2025: „Bayerns Jagdminister Hubert Aiwanger warf dem Bund deshalb vor, die Almbauern „verantwortungslos im Regen stehen“ zu lassen. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber erklärte: „Der Wolf unterscheidet nicht zwischen Kontinental- und Alpenraum – und genau das sollte auch der Bundesumweltminister endlich begreifen.““ (14).
Wenn zur Herabstufung des Wolfs selbst in vermeintlich seriösen Quellen von „Erleichterung der Lösung von Problemen“ und „mehr Möglichkeiten, Wölfe zu schießen, die Weidetiere reißen“ berichtet wird, wie etwa beim redaktionell unveränderten Abdruck einer dpa-Meldung im Wissenschaftsmagazin „Spektrum.de“ (15), ist dem Anliegen eines faktenbasierten Umgangs mit dem Wolf in Deutschland wenig gedient.
… löst die Gefahr der Wildtierkriminalität aus
In diesem Zusammenhang muss erinnert werden: Die heutigen Mittel und der flächendeckende Druck der Jagd machen es ohne weiteres möglich, „wolfsfreie Zonen“, wie sie die herausragenden Populisten unter den Politikern fordern, in der Realität herzustellen, d.h. Regionen dauerhaft von Wölfen „frei zu schießen“. Auf die Folgen des Zerschießens sozial gefestigter Strukturen einer Wolfsbevölkerung und kontraproduktive Auswirkungen für die Weidetierhaltung wurde an anderer Stelle hingewiesen (8).
Im Zusammenhang drohender regionaler Wieder-Ausrottung oder Verhinderung der Ansiedlung des Wolfes muss insbesondere der inzwischen weit verbreitete Einsatz von Nachtsichtgeräten in der Jagd genannt werden. Die durch die anhaltenden Kampagnen („zum Abschuss frei“) entstehende Ermunterung zur „Selbsthilfe“ ergänzt diese Problematik. Es herrscht beim Wolf eine Dunkelziffer illegaler Verfolgung. Im Stillen ausgeübte Wildtierkriminalität muss gerade dort befürchtet werden, wo die markigen Äußerungen politisch Verantwortlicher gegen den Wolf besonders leicht verfangen und in Vereins- und Jagdgenossenschafts-Versammlungen widerhallen (8).
Fazit und Ausblick
Nicht nur für den Wolf drohen im Artenschutz bayerische Verhältnisse
Die klaren rechtlichen Vorgaben des weiter bestehenden Schutzes des Wolfes aus der FFH-RL müssen in den zuständigen deutschen Behörden auch unter den Bedingungen der Einstufung des Wolfes in Anhang V der FFH-RL unter Bedingungen des Rechtstaates in einer justizförmigen Praxis münden, die jeder angestrebten Vernichtung von regionalen Wolfsvorkommen und der angestrebten Wieder-Ausrottung des Wolfes in Mitteleuropa zuvorkommt bzw. diese wirksam verhindert. Vorsorglich muss daran erinnert werden: Der Schutz des Wolfs bleibt einklagbar.
Deutschland ist im Umgang mit unliebsamen Wildtieren auf dem Weg zum weltweiten Schlusslicht. Eine Vorreiter- oder gar Vorbildfunktion, sollte sie je bestanden haben, ist längst eingebüßt.
Der nach den Vorgaben des europäischen Rechtes anzustrebende günstige Erhaltungszustand bedeutet gerade nicht das fachliche und rechtliche Abheben von der Ebene der Individuen auf die alleinige Ebene der Populationen. Der EuGH hat den Individuenschutz in fachlich fundierter fortlaufender Rechtsprechung stets unterstrichen. Das von Biodiversitäts-Koryphäen in ethisch und rechtlich fragwürdiger Hinsicht benutzte Argument, nicht das Individuum, sondern nur die Population zähle für den Artenschutz (ein Beispiel aufgearbeitet in (16)), entfaltet nun auch beim Wolf eine geradezu verheerende Wirkung. In den Medien laienhaft transportiert, wird „Population statt Individuum“ inzwischen bis in die Reihen der letzten Hinterbänkler wie ein Slogan gebetsmühlenartig nachgeplappert.
Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu Biologie und Verhalten der von sinnloser Verfolgung bedrohten oder bereits betroffenen Arten spielen in Deutschland offensichtlich immer weniger eine Rolle. Dies führt in Zustände, wie sie beispielsweise in Bayern beim „Management“, d.h. bei der Verfolgung und jährlich vieltausendfachen Tötung des eigentlich unter strengem Naturschutz stehenden Bibers herrschen(17). Zur Illustration sei die Seite 5/13 der Drucksache 19/1453 Bayerischer Landtag (Schriftliche Anfrage Biber in Bayern) wiedergegeben; die dortigen Antworten des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 05.04.2024 sprechen Bände:
„5. Hat die Entnahme von Bibern in den letzten Jahren nachweislich zu einer Verringerung der Biberschäden vor Ort geführt?
Gemäß § 45 Abs. 7 Nr. 1 BNatSchG können Entnahmen zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden zugelassen werden. Da jedoch nicht entstandene Schäden nicht erhoben werden können, ist nicht bekannt, inwieweit die Entnahme von Bibern in den letzten Jahren nachweislich zu einer Verringerung der Biberschäden vor Ort geführt hat.
6.1 Gibt es Erhebungen darüber, wie schnell Biberreviere nach der Entnahme wieder besiedelt wurden? 6.2 Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?
Die Fragen 6.1 und 6.2 werden gemeinsam beantwortet. Es gibt keine Erhebungen darüber, wie schnell Biberreviere nach der Entnahme wieder besiedelt werden.
6.3 Wenn nein, warum wurde auf Erhebungen verzichtet?
Es werden keine Erhebungen darüber, wie schnell Biberreviere nach der Entnahme wieder besiedelt werden durchgeführt, da diese keinen Mehrwert für das bayerische Bibermanagement haben und somit deren Aufwand in keinem Verhältnis zum damit erzielten Ergebnis stünde.“
Fast 35 Jahre nach Inkrafttreten der FFH-Richtlinie massenhaftes Töten einer besonders geschützten Art, und dies ohne Erfolgskontrolle – Wildtier-„Management“ nach bayerischer Gutsherrenart. Zukünftig in ganz Deutschland?
Letzte Bewährungsprobe für den deutschen Naturschutz
Es ist nicht alleine die Herausforderung und Aufgabe des behördlichen und privaten Naturschutzes, sondern die aus der Verfassung bestehende Pflicht des Staates, dem Wolf und anderen Arten im Interessenkonflikt in Deutschland ein „Management“ solchen Zuschnittes zu ersparen. Die rechtliche Ausgestaltung des weiterhin bestehenden Schutzes für den Wolf und seine Ausführung in der Praxis wird zu einer Art letzten Bewährungsprobe für den deutschen Naturschutz. Die im Koalitionsvertrag 2025 (3) aufscheinende naturferne Ausrichtung derzeitiger deutscher Bundespolitik dürfte absehbar den Gang bis zum Europäischen Gerichtshof vermehrt notwendig machen.
Quellen
(1) Epple, W. (2024): Absenkung des Schutzstatus des Wolfes durch die Berner Konvention – weitere Erosion des europäischen Artenschutzes. 05.12.2024. https://naturschutz-initiative.de/aktuell/klartext/absenkung-des-schutzstatus-des-wolfes-durch-die-berner-konvention-weitere-erosion-des-europaeischen-artenschutzes/
(2) Rat der EU (05.06.2025): Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie: Rat billigt endgültig den neuen Schutzstatus des Wolfs. https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2025/06/05/habitats-directive-council-gives-final-approval-to-the-new-protection-status-of-wolves/
(3) Epple, W. (2025): Der Koalitionsvertrag – Angriff auf Natur,
LandschaftenLandschaften Wir schützen Landschaften! Landschaft ist eine wichtige Grundlage für Biodiversität. ,
Wälder
Wälder Wir schützen Wälder! Wälder sind zumeist die naturnahesten Biotope und wertvolle, nicht ersetzbare Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Wald ist mehr als nur Holz.,
Wildtiere
Wildtiere Wir schützen Wildtiere! Unser ganzes Herz schlägt für den daseinsbedingten Schutz von Wildtieren.,
Lebensräume
Lebensräume Wir schützen Lebensräume! Bedrohte Vielfalt schützen und erhalten!, Bürgerbeteiligung. Naturschutz Magazin der Naturschutzinitiative e.V. 2/2025: 14-21
(4) BMUKN (13.10.2025): Deutschland meldet günstigen Erhaltungszustand des Wolfs an die EU-Kommission https://www.bundesumweltministerium.de/pressemitteilung/deutschland-meldet-guenstigen-erhaltungszustand-des-wolfs-an-eu-kommission
(5) https://www.bfn.de/daten-und-fakten/wolfsvorkommen-deutschland
Zusätzlich:
Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW): Wölfe in Deutschland. Statusbericht 2023/2024. 38 Seiten. PDF-Datei liegt vor.
(6) Deutscher Jagdverband DJV (08.05.2025) https://www.jagdverband.de/europaeisches-parlament-stimmt-fuer-herabstufung-von-schutzstatus-des-wolfes
(7) NMUEK (16.05.2025): Minister Meyer begrüßt Beschluss des EU-Parlaments zur Herabstufung des Wolfes in der FFH-Richtlinie: „Endlich Anpassung an die Realität“ https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/minister-meyer-begrusst-beschluss-des-eu-parlaments-zur-herabstufung-des-wolfes-in-der-ffh-richtlinie-endlich-anpassung-an-die-realitat-241913.html
(8) Epple, W. (2024):
Ein Platz für wilde Tiere?Ein Platz für wilde Tiere? In dieser Publikation stellt der Biologe, Ökologe und Wissenschaftliche Beirat der NI, Dr. rer. nat. Wolfgang Epple, den Wert der Wildnis und ihrer Bewohner in den Fokus. Mit seiner großen Fachkenntnis und Empathie für alles was lebt, erinnert er uns an unsere ethische Verantw[...]. Teil 2. Umgang mit Beutegreifern – endlose Zerreißprobe für den Artenschutz. Naturschutz Magazin der Naturschutzinitiative e.V. 2/2024: 4-11
(9) https://dejure.org/gesetze/AEUV/191.html
(10) FFH-RL: RICHTLINIE 92/43/EWG DES RATES vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und
PflanzenPflanzen Pflanzen sind ein wichtiger Teil der Biodiversität. Sie ist unsere Lebensgrundlage, aber mehr als nur Artenvielfalt. Ohne Pflanzen wäre ein Leben für uns Menschen auf der Erde nicht möglich. https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1992L0043:20070101:DE:PDF
(11) URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer), 29. Juli 2024 https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=288835&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1 ; hierzu die PM des EuGH: https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2024-07/cp240118de.pdf
(13) Art. 141 Verfassung des Freistaates Bayern https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fkomm_pdk%2Fpdk-bay-a3bay%2Fbayverf%2Fcont%2Fpdk-bay-a3bay.bayverf.a141.htm&anchor=Y-400-W-PDK-BAY-A3BAY-S-818
(15) Spektrum.de (dpa 13.10.2025): Wolfs-Population entwickelt sich günstig. https://www.spektrum.de/news/ministerium-wolfs-population-entwickelt-sich-guenstig/2291209
(16) Epple, W. (2022): Im Artenschutz zählen Individuen nicht? „Instrumentalisierung“ der Ornithologie gegen Windkraft? Anmerkungen aus Anlass öffentlicher Äußerungen von Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese zu Windkraft und Artenschutz. https://naturschutz-initiative.de/images/PDF2022/ErwiderungEppleBoehningGaese.pdf
(17) Biber in Bayern (Schriftliche Anfrage 27.02.2024 Bayerischer Landtag) https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP19/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/19_0001453.pdf
Ansprechpartner:
Ein Platz für wilde Tiere?
In dieser Publikation stellt der Biologe, Ökologe und Wissenschaftliche Beirat der NI, Dr. rer. nat. Wolfgang Epple, den Wert der Wildnis und ihrer Bewohner in den Fokus. Mit seiner großen Fachkenntnis und Empathie für alles was lebt, erinnert er uns an unsere ethische Verantwortung, die all unserem Tun zu Grunde liegen sollte.
Biodiversität und Arten als unsere Lebensversicherung
„Der Mensch ist längst zum entscheidenden Evolutionsfaktor geworden“, so Prof. Dr. Matthias Glaubrecht in der Fachpublikation „Biodiversität und Arten als unsere Lebensversicherung“, die die NI anlässlich des Tages der Artenvielfalt veröffentlicht hat.
Die Biodiversitätskrise
Was kann jeder einzelne von uns, was kann jede Stadt und jede Gemeinde zur Erhaltung unserer Lebensgrundlage selbst tun? Machen Sie sich gemeinsam mit uns auf den Weg zu „Mehr Biodiversität wagen“.
Die Europäische Wildkatze
Die Broschüre „Die Europäische Wildkatze“, verfasst von Wildkatzenexpertin Gabriele Neumann, informiert Sie über den scheuen Waldbewohner, der nach wie vor auf der Roten Liste steht. Die Wildkatze braucht unser aller Schutz.
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