Verwaltungsgericht Koblenz: Tötung des Leuscheider Wolfsrüden GW1896m ist rechtswidrig
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichtes Koblenz hat am 17.12.2024 auf Antrag der NaturschutzinitiativeÜber die Naturschutzinitiative e.V. (NI) Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger und bundesweit anerkannter Naturschutzverband. e.V. (NI) die aufschiebende Wirkung der gegen die am 4. Dezember diesen Jahres erteilte Ausnahmegenehmigung erhobenen Widerspruchs wieder hergestellt und damit die geplante Tötung des Wolfrüden GW1896m gestoppt. Das Gericht stellt fest, dass sich der Bescheid „aus einer Reihe von Gründen als rechtswidrig“ erweisen werde. „Der Beschluss folgt in allen Punkten dem Antrag der NI. Wir haben bislang noch keine derart fehlerhafte Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Tötungsverbot gesehen wie in diesem Fall“, erklärte Gabriele NeumannGabriele Neumann Stv. Vorsitzende der Naturschutzinitiative e.V. (NI), Projektleiterin Wildkatze und Karnivoren , stv. Vorsitzende und Projektleiterin Großkarnivoren der Naturschutzinitiative e.V. (NI). Entgegen der Hoffnung von Umweltstaatssekretär Dr. Erwin Manz hatte die Entscheidung wie erwartet vor Gericht keinen Bestand.
VG Koblenz:
„Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2024 wird wiederhergestellt. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.“
„Allerdings ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung materiell rechtswidrig. Die im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus. Denn die im Bescheid vom 4. Dezember 2024 enthaltene Ausnahmegenehmigung erweist sich aus einer Reihe von Gründen als rechtswidrig, weshalb kein öffentliches Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung besteht.“
„Die konkrete Maßnahme ist insbesondere unverhältnismäßig und leidet an einem Abwägungsdefizit. Der Antragsgegner hat in seiner Abwägung der gegenseitigen Interessen außer Acht gelassen, dass es sich bei dem Wolf GW1896m um den Leitwolf des Leuscheider Rudels handelt. Hiermit verbundene Auswirkungen auf die künftige Reproduktion des Rudels und das Überleben der im Jahr 2024 geborenen Welpen wurden nicht untersucht. Ferner hat der Antragsgegner sich nicht mit der Frage befasst, ob – wenn nicht der Wolf GW1896m – zumindest einzelne andere Mitglieder des Rudels anhand äußerer Merkmale so klar zu identifizieren sind, dass sie von der Tötungserlaubnis hätten ausgenommen werden können. Jedenfalls hätte der Antragsgegner eine Beschränkung der Ausnahmeregelung auf erwachsene Mitglieder des Rudels als gleich geeignetes, aber milderes Mittel in Betracht ziehen müssen. Denn ausweislich der Antragserwiderung des Antragsgegners kam es im Jahr 2024 im Leuscheider Rudel zur Reproduktion mehrerer Welpen. Es liegt nahe, dass diese Tiere anhand äußerer Merkmale eindeutig von ausgewachsenen Wölfen zu unterscheiden sind, weshalb eine Gestattung der Tötung dieser Rudelmitglieder nicht erforderlich sein dürfte. Der Bescheid erlaubt jedoch die Tötung sämtlicher Mitglieder des Leuscheider Rudels. Denkbare Weisungen bei der späteren Umsetzung des Bescheids ersetzen nicht mit der erforderlichen Klarheit entsprechende Bestimmungen im Bescheid selbst.“
„Das Gericht bestätigt damit die Auffassung der NI, dass die erteilte Abschussgenehmigung nicht mit geltendem Recht vereinbar ist. Das VG Koblenz verweist ausdrücklich auf die auch von der NI vorgetragene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom Juli 2024 hin, wonach vorzugsweise nichttödliche vorbeugende Maßnahmen gegen Angriffe auf Herden anzuwenden sind“, erklärte Harry NeumannHarry Neumann Vorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI) , Vorsitzender der Naturschutzinitiative (NI).
Gericht fordert Präventivmaßnahmen
Vor allem seien staatliche Maßnahmen unerlässlich, um altbewährte Herdenschutz-Praktiken zu fördern, die in Ländern, in denen der Wolf nie ausgestorben war, immer noch verankert seien. Ziel sei es, eine Kultur der Koexistenz zwischen der Wolfspopulation, den Herden und den Weidetierhaltenden zu erreichen, so das Verwaltungsgericht.
VG Koblenz:
„Der Antragsgegner ist ferner bei der Prüfung der Frage, ob es durch die Maßnahme zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen kommen könnte, von falschen Maßstäben ausgegangen. Er hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass der Bescheid nicht nur die Tötung eines einzelnen Wolfs erlaubt, sondern den Rahmen für die Tötung aller Mitglieder des Leuscheider Rudels bildet.“
„Zunächst ist der Antragsgegner von einem falschen Populationsbegriff ausgegangen, wenn er den Populationszustand in Rheinland-Pfalz außer Acht lässt und stattdessen auf den Zustand der Wolfspopulationen in Mitteleuropa abstellt.“
„Es ist bereits zweifelhaft, ob die erlaubte Maßnahme in ihrer konkreten Ausgestaltung überhaupt auf § 45a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG gestützt werden kann.“
„Auf der Grundlage des Vorbringens des Antragsgegners und der von ihm vorgelegten Unterlagen kann nicht festgestellt werden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die von ihm erteilte Ausnahmegenehmigung vorliegen.“
Der Wolf befindet sich nach wie vor in keinem guten Erhaltungszustand. Das Gericht stellt deutlich heraus, dass dies nicht nur für die Gesamtheit der Population in Deutschland gelte, sondern zuerst für die lokale Population. Die Rechtsprechung des EUGH fordert, dass der günstige Erhaltungszustand an erster Stelle auf lokaler und nationaler Ebene bestehen und bewertet werden müsse. Ein ungünstiger Erhaltungszustand in einem Mitgliedsstaat oder in einem Teil davon, dürfe nicht durch überregionale Betrachtung verschleiert werden.
VG Koblenz:
„Ferner hat der Antragsgegner die Annahme, es fehle an zumutbaren Alternativen zur Tötung des Wolfs GW1896m bis hin zum gesamten Leuscheider Rudel, nicht stichhaltig dargetan.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müssen die zuständigen nationalen Behörden bei der Feststellung, ob zumutbare Alternativen zur Tötung von Wölfen bestehen, auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse die denkbaren anderweitigen Lösungen beurteilen und sie gegen das allgemeine Ziel der Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der betreffenden Tierart abwägen. Hierzu ist eine genaue und angemessene Begründung geboten. Daraus folgt, dass die Beurteilung dieser Voraussetzung eine Abwägung sämtlicher betroffener Interessen und der zu berücksichtigenden Kriterien, wie etwa der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Vor- und Nachteile, erfordert, um die optimale Lösung zu ermitteln. Zu diesem Zweck müssen die zuständigen nationalen Behörden die Möglichkeit prüfen, nicht tödliche vorbeugende Maßnahmen anzuwenden, die unter anderem in der Durchführung von vorbeugenden Maßnahmen gegen Angriffe auf Herden sowie dem Erlass von Maßnahmen zur weitest möglichen Anpassung der den Konflikten zugrunde liegenden menschlichen Praktiken bestehen, um eine Kultur der Koexistenz zwischen der Wolfspopulation, den Herden und den Viehzüchtern zu fördern (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2024 – C-601/22 –, EuZW 2024, 923, Rn. 76 ff.). Der Begründung des Bescheids sowie den vorgelegten Verwaltungsunterlagen ist nicht zu entnehmen, ob hier nicht insbesondere Maßnahmen des Herdenschutzes zumutbar und ausreichend sind.“
„Der Antragsgegner geht in seinem Bescheid davon aus, der Wolf GW1896m habe „wiederholt qualifizierte Herdenschutzmaßnahmen überwunden“. Er führt aus, der Wolf habe achtmal den zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Grundschutz und bei den Rissereignissen am 2. und 18. November 2024 den vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) empfohlenen bzw. einen „das empfohlene Schutzniveau nicht signifikant unterschreitenden“ Herdenschutz überwunden. Letzteres war ausweislich des Verwaltungsvorgangs aber nicht der Fall. Ziffer 3.2.4.1 des Praxisleitfadens zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach §§ 45 und 45a BNatSchG beim Wolf, insbesondere bei Nutztierrissen (nachfolgend: „Praxisleitfaden“) legt dar, dass das Bundesamt für Naturschutz und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) derzeit zum Schutz von Schafen und Ziegen die Aufstellung mobiler Elektrozäune mit einer Höhe von mindestens 120 cm empfehlen. Diesen Anforderungen genügten die Zaunanlagen in beiden Fällen nicht. Bei dem Rissereignis am 2. November 2024 betrug die Zaunhöhe lediglich 105 cm. Der Zaun bei dem Rissvorfall am 18. November 2024 soll zwar auf eine Höhe von 120 cm ausgelegt, jedoch nicht straff gespannt und deshalb stellenweise tatsächlich nur 105 cm hoch gewesen sein. Deshalb ist völlig unklar, ob der Wolf GW1896m tatsächlich zur Überwindung des empfohlenen Herdenschutzes in der Lage ist oder ob die Herstellung des derzeit empfohlenen Schutzniveaus eine zumutbare und effektive Alternative zur Tötung des streng geschützten Tieres darstellt. Auf die achtmalige Überwindung des zum Zeitpunkt der früheren Rissereignisse geltenden Grundschutzes kommt es dabei an dieser Stelle nicht an, weil der bei diesen Rissereignissen jeweils überwundene Schutz nicht den aktuellen Empfehlungen von Elektrozäunen mit einer Höhe von 120 cm entsprach.“
Hetze und Falschinformationen stoppen – Runder Tisch Wolf mit Naturschutzinitiative (NI)
„Wir wissen, dass die Rückkehr des Wolfes in unserer Kulturlandschaft eine Herausforderung darstellt. Wir müssen uns als Menschen aber wieder daran gewöhnen, auch mit größeren Tieren zu leben wie in vielen anderen Ländern Europas. Die unsägliche Hetze und Falschinformationen gegen das intelligente Tier müssen endlich aufhören. Auf den heimischen Weiden müssen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, wie es früher üblich war. Dazu gehören z.B. Herdenschutzhunde, Ställe und Kühe mit Hörnern. Der Wolf gehört zur Biodiversität. Die Natur gehört nicht uns, wir sollten wieder neu lernen, mit der Natur und nicht gegen sie zu leben. Hierbei bieten wir gerne unsere Mithilfe an. Dazu gehört auch, dass uns das Umweltministerium zum Runden Tisch Wolf einlädt“, so Gabriele Neumann.
Bericht auf tagesschau.deAnsprechpartner:
Gabriele Neumann
stv. Vorsitzende, Projektleiterin Wildkatze und Karnivoren
EILMELDUNG: Genehmigung zum Wolfsabschuss außer Kraft
RLP / Das Verwaltungsgericht Koblenz hat aufgrund der Klage der NI mit Beschluss die Genehmigung zum Abschuss eines Wolfes (GW1896m) außer Kraft gesetzt und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der NI gegen die Ausnahmegenehmigung der SGD Nord wiederhergestellt.
Absenkung des Schutzstatus des Wolfes durch die Berner Konvention – weitere Erosion des europäischen Artenschutzes
Von Dr. Wolfgang Epple / Was sich im Rahmen einer zunehmend unsachlich geführten Debatte schon seit September 2024 auf Betreiben der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen (CDU) ankündigte, ist mit dem 03. Dezember 2024 eingetreten: ...
Wissenschaftler und Tierarzt widersprechen den „Anti-Wolf-Äußerungen“ von Michael Weiler
RLP / Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) setzt als Natur- und Umweltschutzverband beim Schutz des Wolfes auf geltendes Recht und wissenschaftliche Fakten. Sie hat deshalb mehrfach erfolgreich gegen nicht begründete Abschussgenehmigungen von Wölfen geklagt.
Biodiversität und Arten als unsere Lebensversicherung
„Der Mensch ist längst zum entscheidenden Evolutionsfaktor geworden“, so Prof. Dr. Matthias Glaubrecht in der Fachpublikation „Biodiversität und Arten als unsere Lebensversicherung“, die die NI anlässlich des Tages der Artenvielfalt veröffentlicht hat.
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