Ratschläge zur Vogelfütterung

Etwa 15 bis 20 Millionen Euro geben die Menschen in Deutschland jährlich für Wildvogelfutter aus. Viele Menschen füttern inzwischen ganzjährig. Aber hilft man damit wirklich den Tieren und sollte man jetzt zum Ende des Winters damit aufhören oder doch fortsetzen und eine Ganzjahresfütterung betreiben?

Blaumeisen an der Futterstelle

Warum Vogelfütterung?

„Vogelfütterung ist zum Erhalt der Arten nicht zwingend erforderlich“, so Biologe Immo VollmerImmo Vollmer Dipl.-Biologe und seit 2018 Naturschutzreferent der NI , Naturschutzreferent der NI. „Es macht aber Freude, das Verhalten der Vögel zu beobachten und damit viel über die Vögel zu lernen. Auch führt die Vogelfütterung vielen Menschen die Bedeutung des Artenschutzes erstmals vor Augen und wirkt damit auch aktuellen Meinungen entgegen, nachdem Umwelt- incl. Klimaschutz bereits Arten- und Naturschutz sei. Engagierte Menschen werden es auch nicht beim Vogelfüttern belassen.“

Biologe Immo Vollmer schätzt es so ein, dass für die Vögel, die den ganzen Winter bei uns bleiben (sogenannte Standvögel), ausreichend Nahrung vorhanden ist, wenn eine entsprechend vielgestaltige und artenreiche Landschaft noch besteht. Davon kann man aber in vielen Städten, verstädterten Dörfern und v.a. in der offenen Feldflur nicht unbedingt mehr ausgehen.

Dennoch profitieren von der Fütterung v.a. Arten, die häufig und ungefährdet sind. In besonderen Fällen können sich Konkurrenzsituationen sogar ungünstig verschieben, beispielsweise zwischen der häufigen Blau- und KohlmeiseKohlmeise In Siedlungen verbreitete, sehr ruffreudige Meise, deren Gesang schon kurz nach der Wintersonnenwende das neue Jahr einläutet. und den selteneren Sumpf-, Weiden- oder Tannenmeisen. So versucht man im Winter in bestimmten Gegenden von Norwegen mit Vorkommen der Lapplandmeise die Meisenfütterung zu reduzieren, da Lapplandmeisen (ähnlich wie die heimischen Sumpf-, Weiden- und Tannenmeise) Strategien entwickelt haben, in Waldumgebung einen harten Winter besser zu überleben als die ansonsten konkurrenzstärkere Blau- und Kohlmeise. Erstere können u.a. in begrenztem Maße eine Vorratswirtschaft betreiben.

Warum Ganzjahresfütterung?

Von einer Ganzjahresfütterung dürften besonders die lokal selten gewordenen Haus- und Feldsperlinge profitieren. Deren Kolonien können sich dank Zusatzfütterung besser dort halten, wo Kleintierhaltung und damit zugängliche Getreidevorräte kaum vorkommen und zudem ausgiebige Wildkrautfluren Mangelware sind. Dieses gilt besonders im Frühjahr und Sommer, wo eine größere Spatzenkolonie schon einen erheblichen Nahrungsbedarf entwickelt.

Ganzjahresfütterung kann dort sinnig sein, wo Nahrung in vielen Siedlungsbereichen und in Agrarlandschaften für viele Vogelarten teilweise Mangelware ist. Die Aufzuchtphase stellt für die Elterntiere eine enorme Belastung dar. Da ist es gut, wenn die Versorgung der Elterntiere selbst nicht in Konkurrenz zur Nahrungsbeschaffung für die Jungtiere gerät. Generell differenzieren die Alttiere vom Instinkt her bezüglich der für die Jungtiere benötigten Nahrung und dem eigenen Appetit. Dennoch gibt es besonders im Frühjahr oder auch bei Spätbruten Zeiten, in denen kaum Nahrung vorliegt. So starben 2021 auch im strukturreichen Mittelgebirge viele Bruten der Meisen und auch anderen Vogelarten ab, da späte Kälteeinbrüche die Verfügbarkeit von Insekten stark einschränkte. Später im Jahr ist es v.a. die ausgeräumte Landschaft mit einem nur noch geringem Krautaufkommen, der das Insektenleben limitiert. Erinnert werden soll hier auch an die Forschungsergebnisse der letzten Jahre, wonach die Biomasse bei den Fluginsekten um bis zu 80% abgenommen hat.

Die Fütterung sollte auch nicht übertrieben werden. Die Vögel sollen durchaus „gezwungen“ sein, sich noch artgemäßes natürliches Futter in der Umgebung zu suchen. Die Futtermenge sollte also so bemessen sein, wie es auch in wenigen Stunden verbraucht wird. Das wirkt nicht nur dem Verfall des Futters entgegen, es verhindert auch eine ggf. unerwünschte Fütterung von Kleinsäugern.

Saisonal abgestimmtes Futter

Es kann durchaus sein, dass in Engpass-Zeiten die Elterntiere auch weniger geeignete Nahrung verfüttern. Entsprechend sollte man bei der Sommerfütterung feinere Futterbestandteile auslegen. Erwachsene (adulte) Vögel bevorzugen fettreiche Nahrung. Meisenkugeln und eingefettete Körnerflocken kommen zu jeder Jahreszeit gut an. Wer beim Vergleich vom Tiermarkt zum Discounter feststellt, dass teilweise selbst qualitativ hochwertiges Biomüsli für den Menschen teils erheblich günstiger ist als Vogelfutter, kann Getreideflocken auch selbst mit Fett anreichern. Dazu werden diese in einem aufgewärmten Gemisch aus PflanzenPflanzen Pflanzen sind ein wichtiger Teil der Biodiversität. Sie ist unsere Lebensgrundlage, aber mehr als nur Artenvielfalt. Ohne Pflanzen wäre ein Leben für uns Menschen auf der Erde nicht möglich.fett und Pflanzenöl geschwenkt. Ein Gewichtsverhältnis von Öl/Fett zu Flocken von 1:10 ist ideal.

Auch darüber hinaus gibt es Rezepte zur Herstellung von Vogelfutter in der Literatur. Der Blick auf die Inhaltsliste von Vogelfutter zeigt aber auch, dass in qualitativ hochwertigem Futter viele Bestandteile enthalten sind, die speziell auf die gefiederten Freunde abgestimmt sind. Man merkt schon, dass alte und dann dann ggf. ranzige Billignahrung von den Vögeln weniger angenommen wird. Ganz abgesehen davon, dass man ggf. auch über Futtermittel eine ökologische LandwirtschaftLandwirtschaft Böden als Kohlenstoffspeicher / Ökologischen Landbau weiter ausbauen fördern möchte, die möglichst noch lebendige Feldfluren unterhält.

Fett- und kohlehydratreiche Nahrung dient v.a. der Ernährung der erwachsenen Tiere. Als Aufzuchtfutter wird aber meist proteinreiche Nahrung benötigt. Das ist kaum durch Zufütterung anzubieten. Meisenkugeln mit eingelassenen Mehlwürmern und weiteren Futterinsekten finden nicht nur in der Brutzeit besonderen Zuspruch. Diese sollten auch ohne Netz in speziellen Futterspendern angeboten werden, die auch für andere Arten wie Sperlinge und Finken gut zugänglich sind. Wer Engpasssituationen wie z.B. in einem kalten Frühjahr/Frühsommer für konkrete Brutpaare im eigenen Garten lindern möchte, sollte über die zusätzliche Gabe von lebenden Mehlwürmern und ggf. weiteren Futterinsekten nachdenken.

Bei allen Futtergaben ist aber immer erst einmal mit kleinen Mengen anzufangen um zu sehen, ob die Tiere diese Nahrung annehmen.

Ganzheitlicher Naturschutz

Die Vogelfütterung sollte aber immer nur ein kleiner Teil dessen sein, was man für die Tiere machen kann. Ein strukturreicher Garten mit zahlreichen heimischen Sträuchern (besonders solche, die Früchte tragen), Haufen aus Laub und Geäst, wo sich kleine Kerbtiere verstecken aber auch Igel unterkriechen können, Wildkrautbereiche, in denen im Herbst auch überständige Stauden mit einem Rest an Samen belassen werden und wo in den Halmen auch Larven solitär lebender Bienenarten überwintern, sind Orte, an denen viele Tiere vorkommen. Das gilt natürlich auch für Bereiche außerhalb der Ortschaften.

Das Hauptaugenmerk des Naturschutzes muss darauf ausgerichtet sein, dass die Vielfalt von Pflanzenarten und Biotopstrukturen erhalten bleibt und wo es geht vermehrt wird, womit Habitate für viele Arten gewährleistet sind.

 

Vermeidung von Infektionen an der Fütterstelle

Die Corona-Epidemie lehrt, dass Ansammlungen von Individuen mit einem hohen Risiko von Ansteckungen verbunden sind. Das ist beim Menschen nicht anders als bei den Tieren. Dies gilt im Winter, wenn die Vitalität etwas geschwächt ist, aber auch im Sommer, wo sich einige Erreger schnell ausbreiten können. Aus den vergangenen Jahren wurde teilweise ein großflächiges Sterben von Meisen, GrünfinkGrünfink Der Grünfink, auch Grünling genannt, ist vielen Menschen gut bekannt, da er ein Kulturfolger ist und sich gerne am Futterhäuschen einstellt. Sein interessanter vielseitiger, teils an einen Kanarienvogel erinnernder Gesang belebt im Frühjahr die Siedlungen mit einem hohen Gart[...] en oder AmselAmsel Die Amsel ist scheinbar der typische Gartenvogel. Dennoch hat sich die Art erst innerhalb der letzten 200 Jahre die Siedlung als Lebensraum erschlossen, zuvor war sie ein reiner Waldvogel.n durch Erreger dokumentiert. Dieses fand oftmals im Umfeld von Fütterungen oder Vogeltränken statt.

Ganz wichtig ist deshalb eine regelmäßige Reinigung der Futterstätte bzw. Tränke (ohne aggressive Chemikalien) und der Einsatz von Futterspendern, wo die Vögel nicht auf dem Futter sitzen und dieses verunreinigen. Auch sollte Futter in Fütterungsautomaten vor Feuchtigkeit geschützt sein, damit es nicht verdirbt. Im Handel ist inzwischen ein reichhaltiges Angebot verfügbar. Natürlich werden auch Futteranlagen angeboten, die nicht mehr gekauft werden sollten. Dazu gehört das klassische große Vogelhäuschen, wo die Vögel auf dem Futter sitzen und die Oberfläche verkoten. Dieses dürfte mehr Vögel töten, als dass es ihnen hilft. Besonders dann, wenn stets nur Futter nachgekippt wird und keine regelmäßige Reinigung stattfindet.

Erkrankte Meise – Bild: Heinz Schmitt

Hierzu rät auch Dipl.-Biologe und Tierarzt Konstantin MüllerKonstantin Müller Stv. Vorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI), Dipl.-Biologe und Tierarzt , VorstandVorstand Hinter der Naturschutzinitiative e.V. (NI) steht ein starkes und gut organisiertes Team, bestehend aus Vorstand, Mitgliedern, Experten als Länder- und Fachbeiräten, Wissenschaftlichem Beirat, Unterstützern und Förderern. Gemeinsam stehen wir hinter unserem Ziel: Schutz von La[...]. der NI:

„Übertragbar sind alle Krankheiten durch engen Kontakt, wie er besonders an Fütterungen auftritt. Diese Situation kann aber auch unter dem Futterspender auftreten wo Vögel heruntergefallene Körner aufnehmen. BuchfinkBuchfink „Wer, wer, wer, wer ist denn so frech da?“ So lautet eine lautmalerische Umschreibung der schmetternd fallenden Gesangsstrophe mit Endschnörkel, die der Buchfink am häufigsten von en, Amseln, RotkehlchenRotkehlchen Das Rotkehlchen zeigt sich besonders zutraulich gegenüber Menschen und weist nur eine geringe Fluchtdistanz auf., HeckenbraunelleHeckenbraunelle Die Heckenbraunelle gehört nach den Meisen zu den sehr früh im Jahr singenden Vögeln mit einem sehr charakteristischen hoch zwitschernden Gesang. Dieser ist im Westen Deutschlands in milden Wintern schon ab Mitte Januar zu hören. oder lokal auch GoldammerGoldammer Der Gesang der gelblich schimmernden Goldammer ist in Heckenlandschaften zu hören. Bis in den Spätsommer lässt die Goldammer immer noch ihre Stimme erklingen.n suchen eher am Boden nach Futter. Dabei können verschiedene Tiere auch unter Futterspendern eng zusammen kommen. Hier kann das Übertragungsrisiko minimiert werden, wenn nur so viel Futter gegeben wird, wie nach wenigen Stunden verbraucht wird und wenn die Futterstelle in der Örtlichkeit gewechselt wird. Zu empfehlen ist auch das Ausstreuen von Futter auf offenen Stellen in wechselnder Lage. Hier reinigt sich die Örtlichkeit während einer Ruhezeit von selbst. Zudem wird es in offener Lage auch vermieden, dass sich Katzen anschleichen können. Wenn im Umfeld von Fütterungen Erkrankungen bei Vögeln auffallen, ist sofort die Fütterung und das Tränken einzustellen. Dieses sollten auch die Nachbarn so machen.“

Insgesamt scheinen nach Konstantin Müller Krankheitsbilder bei häufigen Vogelarten zuzunehmen. Die zugrundeliegenden Erreger (Viren, Bakterien, Parasiten) sind aber meist nicht neu. Die Häufung von dramatischen Verläufen ist nach seiner Einschätzung ein Hinweis, dass die Tiere vermutlich durch sich verschlechternde Umweltbedingungen (Pestizide, Schadstoffemissionen, Stress durch Störungen) vermehrt geschwächt werden und damit auch anfälliger gegenüber Infektionen werden können.

Dipl.-Biologe Immo Vollmer/NI

Buchfink mit starken Wucherungen – Bild: Ingo Kühl
Diese erkrankte und apathisch am Boden sitzende Goldammer wurde im April 2020 bei Grevenbroich (NRW) im Umfeld einer stark beschickten Dauerfütterung aufgenommen. – Bild: Immo Vollmer

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Immo Vollmer Dipl.-Biologe
Referent für Natur- und Artenschutz, Fachplanungen

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