07.11.2024 - Klartext

Drohende Ortsumgehung – zwanzigjähriger Einsatz in der Fuldaaue umsonst?

Blaukehlchen – Bild: Arno Werner

Bereits seit dem Jahr 2000 erhebt Ornithologe Arno Werner, Länder- und Fachbeirat Hessen der NaturschutzinitiativeÜber die Naturschutzinitiative e.V. (NI) Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) ist ein unabhängiger, gemeinnütziger und bundesweit anerkannter Naturschutzverband. e.V. (NI), Zahlen und Fakten des avifaunistischen Artenaufkommens in der 130 ha großen Fuldaaue zwischen Bebra und Lispenhausen.

Das Ergebnis der Zählung ist mehr als überraschend.

Unter den nachgewiesenen Vögeln sind 91 gefährdete Arten nach den Roten Listen von Hessen, Deutschland und nach der EU-Vogelschutzrichtlinie.

Eine solche Konzentration wird in wissenschaftlichen Fachkreisen als Hotspot eingestuft.

Brutvögel

Bei den Brutvögeln überrascht die noch hohe Zahl der Reviere bei den FeldlercheFeldlerche Vielen Menschen sind schon Feldlandschaften unbekannt, über denen das „Tirillieren“ vieler Feldlerchen eine besondere Stimmung erzeugt, die schon Komponisten und Literaten beeinflusste. n, Schafstelzen, GoldammerGoldammer Der Gesang der gelblich schimmernden Goldammer ist in Heckenlandschaften zu hören. Bis in den Spätsommer lässt die Goldammer immer noch ihre Stimme erklingen.n und Rohrammern. Zu den selteneren Brutvögeln dagegen zählen unter anderem Teichrohrsänger, Sumpfrohrsänger, Blaukehlchen und Feldschwirl.

Nahrungsgäste

Es gibt aber auch Arten, die in den umliegenden WälderWälder Wir schützen Wälder! Wälder sind zumeist die naturnahesten Biotope und wertvolle, nicht ersetzbare Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Wald ist mehr als nur Holz.n brüten und deren bevorzugtes Nahrungshabitat in der Fuldaaue liegt. Dazu zählen RotmilanRotmilan Der Rotmilan ist der heimliche Wappenvogel Deutschlands, da hier mehr als die Hälfte des Gesamtbestandes vorkommen. Er ist nur in Europa zu finden, weshalb wir für den Erhalt dieser Art eine herausragende Verantwortung haben., Schwarzmilan, Baumfalke und Graureiher.

Rastende Zugvögel

Weil das Beobachtungsgebiet im Zentrum einer bedeutenden mitteleuropäischen Zugroute liegt, rasten Vögel hier, um einen Zwischenstopp einzulegen. Die Aue ist praktisch zugleich Tankstelle und Rastplatz. Dieser sogenannte Trittstein ist lebensnotwendig, damit die Vögel auf dem kräftezehrenden Zug ihre Ziele erreichen können. Ringablesungen belegen die Herkunft aus ganz Europa.

Besonders an Tagen mit Extremwetterlagen und Kälteeinbrüchen können hier mehrere tausende Vögel ihren Zug unterbrechen. Beeindruckend sind dabei die Zahlen von KranichKranich Der Kranich - korrekt Grauer Kranich genannt - ist eine Vogelart, die uns sowohl auf dem Zug, der Balz und an seinen Rastplätzen eindrucksvolle Naturschauspiele liefert. In Mythen, Märchen, Dichtung und Kunst haben diese Vögel ihren festen Platz.en, KiebitzKiebitz Der Artname Kiebitz beschreibt auch gleich seinen Gesang. Seine Balzflüge (...) waren früher vielen Menschen bekannt, weshalb ihm eine gewisse Volkstümlichkeit zugeschrieben wurde.en, Feldlerchen, Ammern und Finken, die auf den Äckern erschöpft ausruhen oder nach etwas Fressbarem suchen. Nicht selten sind es mehr als tausend Individuen je Art. Dann wird es richtig eng in der Aue. Ungestörte größere Rasthabitate sind dann begehrt. Unter den Rastgästen gibt es einige Raritäten wie Zwergscharbe, GoldregenpfeiferGoldregenpfeifer Das Gefieder des männlichen Goldregenpfeifers spricht im Prachtkleid für sich., Sumpfohreule, Kornweihe, Mittelmeermöwe und Beutelmeise, um nur einige zu nennen.

Wintergäste

Im Winter ziehen aus dem hohen Norden Arten wie Singschwan, Blässgans, Saatgans und Zwergschnepfe ins mildere Fuldatal, um manchmal mehrere Wochen in einer größeren Anzahl zu rasten.

Entscheidend wäre die Eingliederung der Bebraer Fluren „Kuhrasen“ und „Vor den Eichen“ in das EU-Vogelschutzgebiet Fuldatal zur Sicherung der Artenvielfalt und des Ökosystems der Flussaue. Diese Fluren leisten einen hohen Beitrag als Brut- und Rastplatz gefährdeter Arten.

Weitere Teile der Fuldaaue sollen versiegelt werden

Bei der COP 16 (UN-Artenschutzkonferenz) wurde eindringlich auf das weltweite Massenaussterben hingewiesen und Maßnahmen zur Erhaltung gefordert. Das Artensterben wird bereits gefährlicher als der Klimawandel eingestuft.

Daher bereitet die Planung einer Ortsumgehung der B83 bei Lispenhausen durch die Aue große Sorge. Das wäre ein herber Schlag gegen die Sicherung der Artenvielfalt, den Hochwasserschutz und die hochwertigen landwirtschaftlichen Produktionsflächen, wie Arno Werner zu Bedenken gibt. Statt Mittel zu Sicherung und zum Schutz des Auenökosystems bereitzustellen, sollen weitere Teile der Fuldaaue versiegelt werden.

Es sei mehr als verwunderlich, wenn Aussagen zu einer Vorzugsvariante der B83 in diesem Bereich getroffen werden und als machbar gelten. „Dies steht im krassen Widerspruch zu den Ergebnissen des Langzeitmonitorings der Naturschutzinitiative!“, erklärt Arno Werner.

EU-Vogelschutzgebiet betroffen

Von den erheblichen Bauplanungen ist auch das EU-Vogelschutzgebiet Fuldatal mit seinen geschützten Arten betroffen.

Da das verantwortliche Hessische Landesamt für Naturschutz jedoch fast ausschließlich ungeeignete Daten aus dem Internet für seinen Monitoringbericht abgerufen hat – eine Tatsache, die trotz Kenntnis nicht beachtet wurde – sind Arteninventar und Populationsgröße nicht bekannt.

Ornithologe Arno Werner (NI) wird das Ergebnis der von den Ehrenamtlichen erhobenen Kartierungen den zuständigen Behördenvertretern in Kürze vorstellen.



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